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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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»Gerne, Herr Kommissar. Wo fangen wir an?«
    »Im Schuppen.«
    Wir betraten den Schuppen. York schaltete das elektrische Licht an. Ein paar Boote, ein ausgebauter Motor auf einem Bock, an der Wand Werkzeuge und das Bild eines Linienschiffs der kaiserlichen Marine in einer Schlacht.
    »Skagerrak«, sagte York. »Es ist die Rheinland.«
    »Aha.« Ich bekam einen Hustenanfall. Als er zu Ende war, fragte ich: »Haben Sie auch Kabel hier?«
    »Natürlich. Dort in der Kiste.« Er zeigte auf eine große Holzkiste mit Deckel. »Und da an der Wand.« Hinter einem Boot hing eine mächtige Kabelrolle. Ich schaute mir die Rolle an der Wand an, aber dieses Kabel war zu dick.
    Ich öffnete die Kiste. Darin lagen zusammengerollte Taue und Kabel verschiedener Sorten. In der Kiste roch es nach Öl. Wir würden sie beschlagnahmen müssen. Ich ahnte, dass wir hier ein passendes Kabel finden würden.
    »Woher kommt der Ölgeruch in der Kiste?«
    York schien meine Frage erst nicht zu begreifen. Dann sagte er: »Ach so, da hat wohl so ein Dussel mal eine Ölkanne hineinfallen lassen, den Geruch kriegt man nicht mehr raus.« Sein Blick verriet Neugier.
    »Warum interessiert Sie das, wenn ich fragen darf?«
    Ich antwortete nicht. »Können wir uns das Klubhaus anschauen?«
    »Wenn Sie möchten.« Er klang nicht mehr so devot. Er war ein wenig abwesend, dachte nach. Nach kurzem Zögern folgte er mir zum Haus. Der Klubraum war holzvertäfelt, an der Decke hingen zwei mächtige Leuchter, und auf einem Regalbrett waren silberne Pokale aufgereiht. Tische, Stühle und ein Tresen gliederten den Raum, eine Vitrine stand an der Wand und ein Ofen in der Ecke. Es sah teuer aus.
    »Was kostet die Mitgliedschaft im Klub?«
    »Das weiß ich nicht. Fragen Sie doch bitte den Präsidenten, wenn ich das vorschlagen darf.«
    »Zwanzig Reichsmark wären zu wenig, nehme ich an.«
    »Ich fürchte, viel zu wenig«, sagte York.
    »Wie heißt der Präsident?«
    »Das ist Herr Dr. Olendorff.«
    »Der Dr. Olendorff von der Armaturenfabrik?«
    »Ja.«
    Ich kannte den Namen, Olendorff hatte im Frühjahr so laut getrommelt für Hindenburgs Wiederwahl, dass selbst ich ihn nicht überhören konnte.
    »Haben Sie ein Mitgliederverzeichnis?«
    »Das hat Dr. Olendorff.«
    »Zeigen Sie mir bitte die sonstigen Räume.«
    Später bildete ich mir ein, Yorks Wangenmuskeln hätten sich verkrampft. Ich achtete nicht darauf. Er öffnete eine Tür. »Hier geht es in den Keller, da werden Vorräte gelagert.« Er schaltete das Licht ein und stieg die Treppe hinunter. Es gab zwei Türen. Hinter der ersten war ein Raum mit Flaschenregalen, die Herren schienen viel Durst zu haben.
    Der zweite Raum war eine Art Waschküche, mit einem glatten Boden. Er sah aus wie abgeleckt.
    »Ist das immer so sauber hier?«
    »Ich habe vorgestern geputzt.«
    Die Lampe an der Decke war funzelig. Ich sah einen dunklen Fleck auf dem Boden, in einer Ecke. Ich ging hin und beugte mich hinunter. Der Fleck glänzte mattschwarz. Ich strich mit der Hand darüber, es fühlte sich an wie verkrustetes Blut. Ich holte mein Taschenmesser und ein Papiertütchen aus der Manteltasche. Dann explodierte etwas in meinem Kopf, es wurde schwarz.
    *
    Als ich aufwachte, lag ich auf einem Bett und fürchtete, mein Kopf würde platzen. Ich hörte jemanden stöhnen und drehte mich auf die Seite. Auf einem Bett an der gegenüberliegenden Wand sah ich einen Mann mit weißen Haaren. Der Oberkörper lag erhöht, die Augen hatte er geschlossen. Er schnaufte. Mir war schwindlig, ich würde mich bald übergeben. Ich tastete mein Gesicht ab, über der Stirn war ich verbunden. Der Verband ließ nur das Gesicht frei. Ich wollte rufen, brachte aber nur ein Krächzen heraus. Dann öffnete sich die Tür. Eine junge Frau mit einer Haube, darauf ein Kreuz, beugte sich zu mir. Sie nahm meine Hand. Ich dachte an Sofia, wie in einem Traum. Dann tauchte das Gesicht der Krankenschwester wieder vor mir auf. »Ich muss mich übergeben«, sagte ich.
    Sie lächelte und gab mir einen Napf aus Zinn. Daneben legte sie ein Leinenhandtuch. Dann hob sie meinen Oberkörper an und stellte das Bett höher. Sie war zart und doch kräftig. »So ist es besser«, sagte sie.
    »Der Herr Doktor kommt gleich.« Ich übergab mich. Sie putzte mir den Mund ab und gab mir einen neuen Napf.
    Plötzlich stand ein kleiner weißgekleideter Mann am Bett, ich hatte ihn nicht kommen gesehen. Er zog meine Unterlider nach unten, fasste mir an den Kopf und fühlte den Puls. »Wir

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