Der Consul
kriegen Sie wieder hin, Herr Kommissar«, sagte er. »Die Mörder müssen weiter zittern. Aber jetzt ruhen Sie sich erst einmal drei Wochen aus. Sie haben eine schwere Gehirnerschütterung und eine üble Wunde auf der Kopfhaut. Der Schlag, der sie traf, hätte sie umbringen können. Ihr Dickschädel hat Ihnen das Leben gerettet.« Er tätschelte meine Hand und ging.
Ich blickte mich um, die Augen taten weh. Das Zimmer hatte ein Fenster, in der Ecke neben der Tür war ein Waschbecken mit Spiegel, an der Wand ein Tisch mit zwei Stühlen. Ich schlief ein.
Als ich wieder aufwachte, hörte ich den Mann auf dem anderen Bett schmatzen. Er hatte die Augen geschlossen. Ab und zu öffnete er den Mund, fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, und dann schmatzte er zwei-, dreimal.
Die Schwester erschien mit zwei Scheiben Zwieback. Den hatte es an der Front immer gegeben. Ich schaute auf den Zwieback und verzog das Gesicht. Die Schwester lachte leise. »Das kenne ich, Sie waren im Krieg, stimmt’s?« Als ich nickte, verstärkte sich der Schwindel.
»Wie heißen Sie?« krächzte ich.
»Ich bin Schwester Sofia.«
»Das kann nicht sein.«
Sie blickte mich erstaunt an. »Gefällt Ihnen der Name nicht?«
»Das ist es nicht. Ich nenne Sie Maria.«
Sie zuckte mit den Achseln und schüttelte leicht den Kopf. »Meinetwegen. Wenn es der Genesung dient, dürfen Sie mich Maria nennen.«
Ich sah ihr Gesicht wie durch Tränen.
Dann schlief ich wieder ein. Als ich aufwachte, war es dunkel. Der andere Mann schmatzte. Ich lag lange wach und versuchte mich zu erinnern. Das Denken schmerzte. Mir fiel das Klubhaus ein, der Mann mit den Stiefeln. Er hatte einen ungewöhnlichen Namen, er klang englisch. Ich schlief wieder ein.
Als ich die Augen öffnete, war es hell. Draußen schien die Sonne, der Himmel war blau. Die Kopfschmerzen waren in der Stirn am stärksten, aber das Schwindelgefühl war schwächer geworden. Ich nahm einen Zwieback vom Teller auf dem Nachttisch und biss hinein.
Es klopfte an der Tür, sie öffnete sich, und Wohlfeld lugte herein. Er hatte Blumen in der Hand und schaute sich unsicher um. Mit dem Finger deutete ich auf einen Stuhl. Er legte die Blumen auf den Tisch und trug den Stuhl zum Bett. Dann setzte er sich.
»Wie geht es Ihnen, Herr Kommissar?«
»Beschissen, danke. Wie komme ich hierher?«
»Als Sie am Abend nicht zurückgekommen waren, sind wir zum Klubhaus gegangen und haben es auf den Kopf gestellt. Im Keller haben wir Sie gefunden, auf dem nassen Boden. Irgendwer hat Sie niedergeschlagen und dann einen Großputz veranstaltet.«
»Haben Sie den Mann gefasst?«
»Welchen Mann?«
»Den mit den hochgeschnürten Stiefeln!« Der Schmerz pochte unter der Schädeldecke.
Die Schwester erschien. »Ich habe doch gesagt, Sie sollen ihn nicht aufregen. Gehen Sie jetzt bitte.«
»Bitte, Schwester Maria, eine Frage noch«, sagte ich.
Sie lächelte und hob den Daumen. »Eine, ich zähle mit.«
»War niemand in dem Bootshaus, als Sie es durchsuchten?«
»Nein«, sagte Wohlfeld.
Die Schwester krümmte den Daumen.
»Und in dem Schuppen?«
»Niemand.«
»Jetzt ist es aber genug«, sagte die Schwester. »Ich stelle die Blumen in die Vase, und Sie kommen morgen wieder.«
Wohlfeld erhob sich, schaute mich mitleidig an und sagte: »Bis morgen, Herr Kommissar, gute Besserung.« Die Schwester schaute ihm nach, als wollte sie sichergehen, dass Wohlfeld nicht zurückkehrte.
Dann ging auch sie, ich schlief ein.
*
Wohlfeld kam jeden Tag, langsam klärte sich das Bild. York hatte mich niedergeschlagen und den Keller gründlich gereinigt. Das, was ich für Blutspuren hielt, war weggewaschen. Die Kiste im Schuppen war leergeräumt, die Kabelrolle an der Wand hängengeblieben. York war seitdem verschwunden.
»Sobald ich hier raus bin, nehmen wir den Motorboot-Klub auseinander«, sagte ich.
»Den Präsidenten, Herrn Dr. Olendorff, habe ich bereits vernommen, in Anwesenheit des Polizeipräsidenten. Die Weste dieses Herrn ist weiß.«
»Woher wissen Sie das?«
»Das hat der Herr Polizeipräsident festgestellt.«
In wenigen Tagen hatte sich viel geändert. Nie zuvor hatte ein Polizeipräsident sich eingeschaltet in Ermittlungen.
»Was ich Ihnen noch sagen muss, wegen der Bürgerkriegsopfer hat der Reichspräsident eine Amnestie angeordnet. Sie gilt aber nur für Verteidiger des Reichs, wie es heißt. Kommunisten, Sozis und abtrünnige SA sind ausgenommen.«
Die Schwester betrat das Zimmer. »Dass Sie mir den Herrn
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