Der Consul
in die Wohnung. Als er wiederkam, hatte er saubere Hände und brachte mir einen Stapel Zeitungen, einige Briefe und eine Ansichtskarte. Die Karte lag obenauf, sie zeigte das Straßburger Münster. Ich bedankte mich und stieg die Treppe hoch. Oben legte ich den Stapel auf den Küchentisch und drehte die Ansichtskarte um. Ich denke an dich. S. Sie hatte eine klare, schöne Schrift.
Sofia war davongekommen. Sie lebte in Frankreich, das war ihre Botschaft. Und sie hatte mich nicht verlassen, das verstand ich auch. Sie hatte ihre Nachricht in eine Form gekleidet, die mir nicht gefährlich werden konnte, mir aber sagte, wo ich sie finden könnte. Es wäre nicht einfach, aber es würde gehen. Mich packte der Wunsch abzuhauen. Unruhig lief ich durch die Wohnung, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen.
Nach einer fast durchwachten Nacht klingelte es an der Haustür. Ich hatte ganz vergessen, dass Wohlfeld mich abholen wollte. Ich bat ihn zu warten, bis ich fertig angekleidet war. »Soll ich Ihnen ein Frühstück machen, Herr Kommissar?« rief er mir nach, während ich zum Bad ging. Sogar einen vollen Einkaufsbeutel hatte er mitgebracht.
»Sehr gerne! Machen Sie eins für uns beide, Wohlfeld.« Seine Fürsorge rührte mich. Wir waren uns nähergekommen in den vergangenen Wochen.
Als ich aus dem Bad zurückkehrte, stand das Frühstück auf dem Tisch. Wir aßen. Ich war ein wenig ruhiger geworden. Bevor ich irgend etwas unternahm, musste ich wissen, was los war im Polizeipräsidium. Ich hatte noch vier Mordfälle aufzuklären, das war meine Pflicht. Die Mörder hatten mich verhöhnt, das nahm ich ihnen übel. »Wir werden uns den Motorboot-Klub noch mal anschauen, vielleicht finden wir doch etwas. Haben Sie was erfahren über den Burschen, der mich niedergeschlagen hat?«
»Der ist verschwunden, als hätte es ihn nie gegeben.« Wohlfeld sprach mit vollem Mund.
»Wo mag er sich verkrochen haben?«
»Auf einem ostelbischen Gut, in der Sowjetunion, in Italien.«
»Sie machen Witze.«
Wohlfeld grinste. »Ich halte alles für möglich.«
Er hatte recht, alles war möglich. Mehr, als wir uns vorstellen konnten.
»Haben Sie von Leutbold und Schmoll gehört?«
»Die sind wahrscheinlich im Paradies der Werktätigen«, sagte Wohlfeld. »Dort pflegen Leute aus dieser Ecke zu sein, wenn sie hier was ausgefressen haben.«
»Das wissen wir ja nicht.«
»Und die Flucht aus der Untersuchungshaft in Leipzig, Herr Kommissar? Ist das nicht ein Schuldeingeständnis?«
Irgendwann würde ich ersticken in meinem Lügengespinst. »Das beweist nur, dass sie der neuen Regierung nicht in die Hände fallen wollten. Fragen Sie mal den Dr. Münting, wie die Leichen aussehen, die ihm angeliefert wurden, bevor sie zu
Kriegsgefallenen umdekoriert wurden. Ich würde auch abhauen, wenn mir so etwas droht.« Ich war laut geworden und erschrak.
Wohlfeld schaute mich erstaunt an.
*
In meinem Arbeitszimmer im Präsidium wartete ein leerer Schreibtisch auf mich. Wohlfeld hatte die Arbeit verteilt in der Kommission. Er setzte sich in den Besucherstuhl mir gegenüber. Ich bat Frau Wuttke, Wegner zu suchen. Es dauerte wenige Minuten, bis er erschien.
»Neue Spuren?« fragte ich ihn, bevor er mich begrüßen konnte.
»Nein, Herr Kommissar.« Es machte ihn traurig.
»Sie haben nichts gefunden, weder bei Strasser noch bei Goebbels, noch im Klubhaus?«
Er nickte. »Das Klubhaus ist so sauber, wie es bestimmt nie zuvor war. Da hat jemand gründlich geputzt. Die einzige Spur ist Blut von Ihnen auf dem Boden im Keller.«
»Haben Sie die Adresse von diesem Dr. Olendorff?«
»Die habe ich, Herr Kommissar«, sagte Wohlfeld. »Aber der Präsident hat erklärt, ich soll den Mann nicht behelligen, er stehe außerhalb jeden Verdachts.«
»Mir hat er das nicht gesagt. Und ich glaube kaum, dass ich verstanden habe, was Sie gerade erklärt haben. Das muss eine Folge meiner schweren Kopfverletzung sein.«
»Wenn Sie mir die Bemerkung gestatten, Herr Kommissar, das gibt Ärger.«
»Haben wir eine andere Strippe, an der wir ziehen könnten? Wer immer in Deutschland regiert, wir sind Kriminalisten, unsere Pflicht ist es, Verbrechen aufzuklären. Und jeder Anfänger weiß, wenn wir eine Spur haben, müssen wir ihr folgen. Keine Sorge, ich mache das allein, Sie wissen nichts.«
»Darum geht es mir nicht, Herr Kommissar.«
»Aber mir. Verraten Sie mir bitte die Adresse dieses Dr. Olendorff.«
Wohlfeld zückte sein Notizbuch, schlug eine Seite auf und gab mir
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