Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
Vom Netzwerk:
auch der raffinierteste Sowjetspion, den ich kenne. Solche Leute erschüttert ein Gefängnisaufenthalt nicht, die fallen nicht um, die verraten nichts. Es sei denn, man greift zu schärferen Verhörmethoden. Wenn das Vaterland in Gefahr ist . « Er wischte die letzten
    Worte mit der Hand weg. »Herr Soetting, lassen Sie die Finger von der Politik. Das ist ein gut gemeinter Rat und eine Weisung.«
    »Wollen Sie mich abziehen von den Ermittlungen?«
    Er schaute mich entrüstet an. »Nein, wie kommen Sie darauf? Aber Sie sollen rechtschaffene Bürger nicht beunruhigen.«
    »Sie meinen Dr. Olendorff?«
    Er nickte.
    »Das verstehe ich nicht, Herr Präsident. Ich wurde im Motorboot-Klub Oberspree niedergeschlagen, und Dr. Olendorff ist dessen Vorsitzender. Da muss ich ihn doch fragen. Zumal es eine Spur gibt im Fall Röhm, die zu dem Klub führen könnte. Ich habe Dr. Olendorff nicht belästigen wollen. Ich brauche nur die Mitgliederliste.«
    »Aber das ist es doch. Da fällt ein Verdacht auf Persönlichkeiten, die unser neuer Staat braucht. Da wird Ihre Ermittlung politisch. Ich habe Ihnen den Hinweis gegeben, dass York alias Alexander ein GPU-Agent ist. Eine bessere Spur gibt es nicht. Es gibt auch keine andere, jedenfalls keine, die zum Motorboot-Klub Oberspree führt. Haben Sie das verstanden?« Er schaute mich kalt an. »Neuer Staat« hatte er gesagt. Das hatte ich verstanden. Ich ahnte sogar, was Melcher meinte.
    »Herr Polizeipräsident, ich habe Sie verstanden. Ich leite weiter die Ermittlungen.«
    Er schaute mir in die Augen. »Ich hoffe es, Herr Kommissar. Ich hoffe es für Sie.«
    Zurück in meinem Dienstzimmer rief ich Wohlfeld und Wegner zu mir. Ich verschwieg ihnen mein Gespräch mit dem Polizeipräsidenten, es ging nur mich etwas an, und nur meinen Kopf würde es kosten. Wir trugen noch einmal zusammen, was wir wussten. Die einzige Spur, die wir hatten, führte zum Motorboot-Klub und zu Dr. Olendorff. Das galt sogar, wenn man glaubte, York alias Alexander sei ein GPU-Agent. Dass der M-Apparat nur eine Filiale der GPU war, wusste ich bereits. Genauso, dass diese Agenten sich mühten, in Positionen zu gelangen, wo sie wichtige Informationen abschöpfen konnten. Der Verwalter eines Motorboot-Klubs mit prominenter Mitgliedschaft erfuhr einiges, wenn er sich geschickt anstellte. So schlecht war diese Hypothese nicht. Und hatten nicht auch Leutbold und Sofia so gearbeitet?
    »Es könnte noch einen anderen Ort geben, wo wir Öl und Kabel finden«, sagte Wegner. »Und vielleicht hat der Angriff auf Sie nichts zu tun mit unseren Fällen. Vielleicht kriegte dieser York Angst, Sie kämen ihm auf die Schliche.«
    »Gehen Sie mal zum Erkennungsdienst, ob Sie einen Hermann York finden. Suchen Sie auch nach einem Alexander.«
    Wegner schaute mich erstaunt an, aber er fragte nicht, was es mit diesem Alexander auf sich hatte.
    »Gehen Sie bitte gleich, schauen Sie in die Kartei.«
    Wohlfeld warf mir einen fragenden Blick zu.
    »Herr Wohlfeld, wir werden den Dr. Olendorff nicht mehr aus den Augen lassen. Sie und Wegner lösen sich ab. Ich will wissen, mit wem dieser Herr verkehrt. Lassen Sie sich nicht erwischen. Nehmen Sie den Ford. Berichten Sie mir täglich.«
    Wohlfeld verzog keine Miene.
    Wegner kam zurück. »Wir haben keine Einträge, weder unter Alexander noch unter York. Vielleicht sind beides nur Tarnnamen?«
    »Folgen Sie dem Kollegen Wohlfeld, er weiß, was zu tun ist«, sagte ich. Wohlfeld stand auf, Wegner folgte ihm, er war verwirrt. »Schließen Sie bitte die Tür hinter sich.«
    Als sie gegangen waren, suchte ich in meinem Notizbuch, bis ich die Telefonnummer von Rübezahl im Truppenamt fand. Er war gleich dran.
    »Kennst du einen Dr. Olendorff?« fragte ich Rübezahl.
    »Komm in die Bendlerstraße, da reden wir«, sagte er statt einer Antwort.
    »In einer Dreiviertelstunde bin ich da«, erwiderte ich. Dann wählte ich die Nummer von Ferdinand Fleischer. Die Praxishilfe nahm ab und stellte mich gleich durch. Wir verabredeten uns für den Abend im Fröhlichen Postillion. »Du scheinst auf dem Weg der Besserung«, lachte Fleischer.
    *
    Ich ging zu Fuß zur Bendlerstraße. Die Sonne und die trockene kalte Luft taten mir gut, der Wind trieb mir Tränen in die Augen. Unter den Linden warf das Brandenburger Tor lange Schatten. Ein Trupp SA, bewaffnet, marschierte in Zweierreihe über den Pariser Platz, ein Verkehrspolizist hielt die Autos an, bis die Braunen verschwanden. Auf diesen paar Quadratmetern zwischen

Weitere Kostenlose Bücher