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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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einen Anfangsverdacht.«
    »Ich hab das nie gesagt.« Rübezahl tat empört. Mir schien, es gefiel ihm, mal mit jemandem zu sprechen, der nicht der Reichswehr angehörte. Er wusste, ich würde ihn nicht verpfeifen. Außerdem hatten die Militärattach0s der Engländer und Franzosen die Pläne gewiss längst auf dem Tisch. Es war kein Geheimnis, warum alle deutschen Regierungen seit dem Krieg so vehement wie vergeblich für Abrüstung eintraten. Abrüstung war nur ein anderes Wort für Rüstungsgerechtigkeit, und die hieß, dass Deutschland Panzer, Kanonen, Kampfflugzeuge und Kriegsschiffe baute.
    »Kannst du dir vorstellen, dass dieser Olendorff was zu tun hat mit den Morden an Hitler und Kameraden?«
    »Vorstellen kann ich mir viel. Nur, was hätte er davon? Auf mich macht der nicht den Eindruck eines Serienkillers.«
    »Fememorde?«
    »Fememorde an Hitler oder Röhm, das klingt absurd.«
    »Diese Morde sind absurd.«
    »Hast du eigentlich Berg mal wieder gesehen?« »Nein«, log ich. »Der ist tot oder auf der Flucht, nehme ich an.«
    »Unter den Verhafteten oder Getöteten ist er nicht aufgeführt. Macht sich wohl einen Lenz in Moskau.«
    »Ist ein feiner Kerl, aber warum muss er an Stalin glauben?«
    »Des Menschen Glaube ist sein Himmelreich«, sagte Rübezahl. »Ich habe ihn gemocht, trotzdem. Und was machst du jetzt mit dem Olendorff?«
    »Mal sehen«, sagte ich.
    »Stefan, lass es.« Er schaute mich eindringlich an. »Es kommt nichts dabei heraus, außer dass du dir einen blutigen Kopf holst.«
    »Du weißt mehr, als du sagst, Rübezahl.«
    »Natürlich, aber ich kann dir nichts erzählen, was dir hilft. Ich kann nur versuchen, dich davon abzuhalten, dass du etwas Dummes und vielleicht sogar Gefährliches anzettelst.«
    Ich war zu lange Kriminalist und ich konnte zu gut zuhören, um nicht zu ahnen, dass Rübezahl etwas wusste, was mir helfen würde. Und zwar über Olendorff. Ich fing an mir vorzustellen, Olendorff sei die Schlüsselfigur in meinen Fällen. Wenn ich Olendorff ausquetschen könnte, wäre ich ein Stück weiter, wenn nicht am Ziel. »Rübezahl, du kennst mich aus dem Graben. Ich bin ein sturer Bock, ich verbeiße mich in meine Fälle wie eine Zecke, und wenn mir jemand angst macht, beginnt der Spaß erst. Also spuck’s aus, du verbirgst etwas, das mich weiterbringen kann. Oder soll ich dich vorladen?«
    Rübezahl grinste, dann lachte er laut. »Du mich vorladen. Das ist eine tolle Idee. Versuch’s mal.«
    »Wenn ich es über deine Vorgesetzten versuche?« Ich wusste, ich hatte keine Chance.
    Er schüttelte den Kopf und sagte nichts.
    Als ich aufstand, um zu gehen, sagte er: »Stefan, pass auf dich auf. Die Zeiten ändern sich, das Recht auch. Die neue Regierung wird keine Wahlen mehr ausschreiben. An erster Stelle steht das Vaterland, die Wählerei und das Chaos sind beendet.«
    Ich stand vor seinem Schreibtisch, er dahinter. »Das ist mir neu.«
    »Die Notverordnung zur Rettung des Vaterlands, so heißt sie, ist fertig, der Reichspräsident hat sie unterschrieben. Morgen wird sie vorgelegt, und der Reichstag wird nach Hause geschickt. Es wird eine geheime Staatspolizei gebildet, die mit Unruhestiftern und Umstürzlern aufräumt. Ich habe dir nichts gesagt, verstanden?«
    Es überraschte mich nicht. Die Leute, die die neue Regierung stellten, hatten keinen Bürgerkrieg geführt, um die Republik zu retten. »Die holen den Kaiser zurück«, sagte ich.
    »Nein«, erwiderte Rübezahl. »Den Herrn will keiner mehr. Ich höre noch seine Angebereien. Und dann hat er sich abgesetzt nach Holland, der Held. Ein Kaiser hätte sich an die Spitze seiner Truppen gestellt und wäre gefallen.«
    »Also der Kronprinz.«
    Rübezahl wiegte den Kopf bedächtig. »Ich würde an deiner Stelle zwei Dinge tun. Ich würde mehr Zeitung lesen. Und ich würde die Ermittlungen in deinen Fällen beenden. Es war der M-Apparat, der Drahtzieher Kippenberger sitzt in Altmoabit, die Täter sind auf der Flucht. In Russland kannst nicht mal du sie verhaften.«
    »Danke für die Warnung, Rübezahl.« Ich reichte ihm die Hand.
    *
    Draußen auf der Straße konnte ich mich nicht mehr wehren
    gegen die Verzweiflung. Und mich packte der Zorn. Ich sah die Visagen der neuen Herren vor mir. Sie beriefen sich auf Rechtschaffenheit und schmähten den Verrat von 1918. Aber ihr neues Reich begründeten sie auf der Vertuschung eines vierfachen Mordes. Sie wussten so gut wie ich, die Kommune war für viele Morde verantwortlich, aber nicht für

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