Der Countdown
gepflastert war mit Angeboten und Gesuchen für Fahrerjobs, Sattelschlepper, Anhänger und Ersatzteile. Die Gesichter von vermissten Kindern, Jugendlichen und Frauen sowie Porträts von flüchtigen Sträflingen starrten sie von alten Plakaten her an.
“Entschuldigen Sie, sind Sie die Dame, die nach einem Trucker und seinem Sohn sucht?”
Maggie nickte. Eine schlanke Frau in den Sechzigern mit großen Ohrringen und fröhlichen Augen hinter einer Gleitsichtbrille stand vor ihr.
“Betty Pilcher. Mein Mann Leo und ich betreiben den Frisörladen auf der anderen Seite der Mall. Die Jungs erzählten uns, dass Sie die Fotos herumzeigen. Ich muss los zur Verwaltung, aber kommen Sie doch in ein paar Minuten in unseren Salon, meine Liebe. Leo hat ein gutes Gedächtnis für Gesichter.”
Fünfzehn Minuten später trat Leo Pilcher, ein ehemaliger Frisör der US-Army, einen knappen Schritt von seinem Kunden zurück und starrte lange und konzentriert auf die Fotos von Jake Conlin, während Maggie und Graham gespannt auf sein Urteil warteten.
Leo nickte und wandte sich wieder dem Haarschnitt seines Kunden zu.
“Er war hier. Nur dass er nicht mehr so aussieht, seit ich ihn bedient habe.”
Graham und Maggie tauschten einen Blick.
“Sind Sie sicher?”, fragte Maggie.
Leo trat erneut einen Schritt zurück. Die Spitze seiner Schere berührte Jakes rechten Augenwinkel auf dem Bild.
“Er hat hier eine kleine Narbe, oder?”
“Ja”, bestätigte Maggie.
“Er war es. Ich bin sicher. Er fiel auf wegen der Narbe und der Veränderungen.”
“Veränderungen?”
Graham zog sein Notízbuch heraus und bat um Einzelheiten.
“Er kam hier vor vier oder fünf Monaten rein. Da trug er einen Bart, der offenbar über mehrere Wochen gewachsen war. Ein guter Kopf mit kräftigem, gesundem Haar. Er wollte, dass ich ihm den Kopf rasiere und den Bart zu einem Spitzbart trimme. Also einen Bart ohne Seiten. Ich zeige es Ihnen. Kann ich hier drauf malen?”
Maggie gab Leo einen Stift aus ihrer Tasche und skizzierte den Bart auf Jakes Gesicht. Dann verdeckte er mit dem Finger sein Haar.
“Sehen Sie? Wie ein völlig anderer Mensch. Ich fragte ihn: ‘Hey, verstecken Sie sich vor jemandem?’ Und er lachte irgendwie verlegen und sagte: ‘So ähnlich.’“
“Hat er vielleicht gesagt, wo er wohnt oder für wen er fährt?”
Leo schüttelte den Kopf.
“Er war eher der ruhige Typ. Blieb verschlossen. Ich habe ihn seitdem wiederholt in der Mall gesehen, ungefähr zweimal pro Monat. Er könnte also durchaus hier irgendwo wohnen.”
Graham und Maggie gingen sofort zum Verwaltungsbüro der Mall, wo Graham das veränderte Foto in seinen Laptop einscannte. Er schickte das Bild per E-Mail mit der dringenden Bitte zur Forensischen Abteilung in Alberta, ihm ein via Bildbearbeitung generiertes Bild von Jake Conlin mit geschorenem Kopf und Spitzbart zu schicken.
Weniger als vier Minuten nach Abschicken der Mail klingelte Grahams Handy.
“Coporal Graham, Simon Teale von der Forensik. Ich habe ihre Anfrage erhalten. Wir sind überlastet, haben mehrere Fälle in Arbeit, und es sind noch Fälle draußen in Red Deer und Medicine Hat vor Ihnen dran. Wie schnell brauchen Sie die Sache?”
“Wir brauchten es schon gestern.”
“Nach der Nummer des Falls zu schließen, geht es um die Tarver-Sache. Die Familie in Banff.”
“Ja, ist das ein Problem, Simon?”
“Nein, ich wollte nur einfach sichergehen, Corporal Graham. Ich tue mein Bestes, die Dinge zu beschleunigen. Vielleicht klappt es später am Tag oder morgen.”
“Es geht nur um die Bearbeitung eines Fotos.”
“Ich weiß, dass das schnell geht, aber wir sind unterbesetzt. Und Sie wissen, dass ich es absegnen lassen muss. Haben Sie etwas Geduld.”
“Rufen Sie mich an, sobald Sie das Foto haben.”
Graham verfluchte murmelnd die Bürokratie und teilte Maggie dann mit, dass sie sich ein Motel suchen mussten.
62. KAPITEL
G reat Falls, Montana
Laut der
Great Falls Tribune
sollte der Besuch des Papstes in Montana – der erste in der Geschichte des Staates – am nächsten Tag stattfinden.
Die Zeitung klotzte mit großen Fotos und einer riesigen Schlagzeile, die sich über die gesamte Titelseite erstreckte.
Sie lag ungelesen auf dem Bett in Grahams Motelzimmer.
Er stand unter der Dusche und wollte die Artikel danach durchgehen. Dann würde er sich mit Maggie zum Dinner treffen und dabei die nächsten Schritte beschließen.
Maggie saß in der Lobby und nutzte den kostenlosen
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