Der Countdown

klingelte.
    “Hallo, hier ist Crocker von der Zentrale. Great Falls, Shelby und Lewistown sind gestrichen.”
    “Kann nicht sein. Alle drei?”
    “Ja. Tut mir leid, Amigo, das kommt vor.”
    “Mensch, ich habe schon mein Geld gezählt.”
    “Fahr nach Hause. Du kriegst das Geld für die bisherigen Trips. Ich habe dich diesen Sonntag für Atlanta eingetragen. Das ist fest.”
    Frustriert lenkte Jake seinen Truck Richtung Osten durch Great Falls, um zurück nach Cold Butte zu fahren und zu der Zwickmühle heimzukehren, in der er steckte.
    Er konnte sich den Fakten nicht länger verschließen.
    Was er im Irak mitansehen musste, hatte ihn in ein Monster verwandelt. Er brauchte nur an jenen Tag im Supermarkt zu denken, der zu der peinlichen Situation am Fußballfeld geführt hatte. Voller Paranoia war er überzeugt davon gewesen, dass Maggie ihn mit Ullman betrogen hatte.
    Doch damit lag er völlig daneben.
    Das war niemals geschehen.
    Er war derjenige, der sie mit Samara betrogen hatte. Und er war derjenige, der alles ruinierte, indem er mit ihr abgehauen war, Logan mitgenommen und ihn angelogen hatte.
    Wie hatte er das tun können?
    Den Jungen aus seinem Leben zu reißen und ihm zu sagen, dass seine Mutter ihn nicht länger liebte.
    Es ist unverzeihlich.
    Überwältigt von Scham, griff Jake das Lenkrad fester, während die Wahrheit weiter auf ihn einhämmerte.
    Samara hatte sein Leben gerettet.
    Sie war ein guter Mensch, hatte ihre eigene Tragödie durchlitten. Sie war gut zu ihm und zu Logan, doch sie verhielt sich distanziert, unnahbar, als würde sie noch immer trauern.
    Jake gehörte nicht zu Samara.
    Er gehörte zu Maggie.
    Seiner Ehefrau. Der einzigen Frau, die er je geliebt hatte. Seit sie damals in der Turnhalle getanzt hatten.
    “
Hey, Jude.”
    Der Irak hatte ihnen allen etwas genommen.
    Jake blickte hinauf zu den Sternen und fragte sich, ob es zu spät war, um zu Maggie nach Blue Rose Creek zurückzukehren.
    Der Verkehr vor ihm war an einer Sicherheitskontrolle ins Stocken geraten.
    Checkpoint
.
    Jake schüttelte den drohenden Flashback ab.
    Er wusste, was alle Fahrer von großen Trucks, die nach Lone Tree County hineinfahren, derzeit erwartete. Die Standardprozedur rund um VIP-Veranstaltungen. Er und sein Wagen würden durchsucht werden.
    Kein Problem, er hatte keine Ladung.
    Nachdem die Inspektoren ihn knapp vierzig Minuten später entließen, winkte die Montana Highway Patrol Jake nur noch durch.
    Es war nach drei Uhr in der Früh, als er in Cold Butte ankam, die Crystal Road entlangfuhr und in die Auffahrt einbog. Er achtete darauf, etwas weiter entfernt vom Haus zu parken, um Logan und Samara nicht aufzuwecken.
    Hungrig wie er war, machte sich Jake zunächst über ein Stück Apfelkuchen her. Während er aß, grübelte er über seine Probleme nach, bis ihn ein leichtes Pling im Wohnzimmer unterbrach.
    Samaras Laptop war eingeschaltet.
    Das war noch nie vorgekommen. Sie ließ ihren Computer niemals so offen herumstehen. Vermutlich hatte sie ihn noch nicht erwartet. Der Monitor erfüllte den Raum mit einem bläulichen Lichtschimmer.
    Jake hatte eine Idee.
    Nachdem er den Kuchen aufgegessen hatte, ging er in ihr Schlafzimmer, um nach Samara zu sehen. Sie schlief. In dem gedämpften Licht sah er die Umrisse ihres maßgeschneiderten Kostüms, das sie am Schrank aufgehängt hatte.
    Jake trat in Logans Zimmer.
    Der Junge schnarchte leise vor sich hin.
    Eine kleine Bibel und ein Rosenkranz, die der Papst segnen sollte, lagen auf seinem Nachttisch. Logans neuer Anzug hing schon am Türknauf.
    Dann begriff Jake es erstmals richtig.
    Sein Sohn wird für den Papst singen!
    Jakes Brust schwoll vor Stolz, und er musste die Tränen wegblinzeln, als er Logans Tür schloss.
    Dann wandte er sich um in Richtung Wohnzimmer.
    Jake hatte eine Entscheidung getroffen und zog seine Brieftasche heraus. Er blätterte durch ein paar Visitenkarten, bis er die gesuchte fand.
    Stobel & Chadwick.
    Es war Maggies Karte; ihre geschäftliche E-Mail-Adresse stand darauf, die private hatte sie per Hand auf die Rückseite gekritzelt. Er setzte sich an Samaras Laptop und loggte sich in seinen Internet-Account ein. Während er auf die Verbindung wartete, bemerkte er den Bildschirmschoner. Große Fotos von Samaras Mann und ihrem Sohn starrten Jake an, bis der Bildschirm endlich seine E-Mails anzeigte.
    Maggie
, begann Jake,
ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Ich wage es nicht, dich um Vergebung zu bitten für das, was ich getan habe.