Der Countdown
Suchmeldung an die Pfandhäuser verteilten.
Jackson Tarver war einverstanden gewesen, die Bank-, Kredit- und Internetkonten der Familie zu überprüfen. Falls jemand Rays Laptop gestohlen hatte, benutzte ihn der Dieb vielleicht, und diese Information konnte dabei helfen, ihn aufzuspüren.
Bislang war bei all den Bemühungen allerdings nichts herausgekommen.
Was übersah er?
Grahams Handy klingelte.
“Danny, hier ist Horst am Zeltplatz.” Das Knistern in dem Satellitentelefon des Suchführers vermischte sich mit dem Rauschen des Flusses und dem entfernten Dröhnen eines Hubschraubers.
“Habt ihr etwas gefunden?”
“Nichts. Unsere Leute haben in den letzten Tagen rund um die Uhr alles gründlich abgesucht. Wir gehen davon aus, dass er sich irgendwo zwischen den Felsen verkeilt hat oder dass ein Grizzly sich ihn geholt hat. Man hat ein paar große Weibchen in der Suchzone gesichtet. Wir können ihn innerhalb der nächsten Stunde finden oder im nächsten Monat oder nie. Du weißt, was ich meine?”
“Ja.”
“Wir machen weiter, doch am Ende der Woche werden wir die Suche einstellen müssen.”
Es war früher Nachmittag, als Graham sein Mittagessen zu sich nahm – allein, draußen, an einem Picknicktisch in einem kleinen Parkstreifen.
Er kaute auf dem Schinken-Käse-Sandwich herum, das er sich zu Hause gemacht hatte, sah hinüber zu den Bürotürmen, die den Blick auf die dahinter liegenden Rockies verdeckten, und versuchte, nicht an sein eigenes Leben zu denken.
Bleib an dem Fall, ermahnte er sich selbst.
Er hatte sein Sandwich fast aufgegessen, als sich die Assistentin des Superintendents näherte, die in ihrer Mittagspausen für gewöhnlich im Viertel spazieren ging.
“Da sind Sie ja. Wie kommen Sie klar, Dan?”
“So gut wie jeden anderen Tag auch, Muriel.”
“Am Lake Sundance soll dieses Wochenende ein Barbecue mit den Kollegen von der Sitte stattfinden.”
“Ich habe davon gehört.”
“Kommen Sie vorbei, wenn Sie in der Stimmung sind.” Sie tätschelte leicht seine Schulter.
“Danke für die Einladung. Mal sehen …”
“Sonntag. Um drei. Und Sie brauchen nichts mitzubringen.”
Graham nickte.
Doch als Muriel fort war, entschied er sofort, dass er eben nicht in der Stimmung dafür war. Er zerknüllte die Lunchtüte und warf sie in den Müll. Zurück am Schreibtisch machte er sich gleich wieder über die Akte her.
Auf Grahams Bitte hatte ihm Rays Vater Kopien der Lebensversicherungen gefaxt, die Ray für sich und seine Frau abgeschlossen hatte. Jede war auf zweihundertfünfzigtausend Dollar ausgestellt. Anita war Rays Begünstigte, Ray war ihr Begünstigter. Für den Fall, dass beide starben, bekamen Rays Eltern die Auszahlung.
Es handelte sich um große Summen. Menschen hatten schon für weniger getötet. Doch Graham sah keinen Grund, einen Versicherungsbetrug zu vermuten, solange Ray Tarver nicht unverletzt aus den Bergen kam, um eine Viertelmillion Dollar einzustreichen.
Graham wandte sich wieder dem Foto aus Tokio zu. Er musste etwas übersehen haben, dachte er, während er auf Ray und seinen Laptop starrte, bis es dämmrig wurde. Der Tag war fast vorbei, die meisten seiner Kollegen hatten sich verabschiedet, und Graham graute vor dem, was jetzt unweigerlich folgte.
13. KAPITEL
B lue Rose Creek, Kalifornien
Nach wiederholten Versuchen meldete sich endlich eine Frau auf Maggies Anrufe bei Madame Fatima.
Maggie brachte ihr Anliegen vor, und die Frau teilte ihr mit, sie solle am nächsten Tag noch einmal anrufen – was Maggie auch tat.
“Madame sagt, heute nicht. Rufen Sie morgen an.”
“Wenn ich nur vorbeikommen und mit ihr reden könnte, bitte.”
“Sie hat wenig Zeit, um zu helfen. Rufen Sie morgen an.”
“Bitte, ich muss sie sehen. Bitte. Ich flehe Sie an.”
Maggie hörte eine zweite Stimme im Hintergrund, dann dämpfte eine Hand über dem Mundstück das Gespräch zwischen zwei Menschen. Schließlich sagte die Frau: “Madame sagt, Sie dürfen heute Nachmittag anrufen, gegen drei.”
Maggie dankte ihr und nahm ihre Arbeit im Buchladen mit neuem Elan wieder auf.
Sie füllte die Regale nach und kümmerte sich um Bestellungen, als eine Kundin mit den Schlüsseln klimperte, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen, und ihr dann eine Serviette hinwarf, auf die ein Buchtitel gekritzelt war. Die Frau roch nach Zigaretten.
“Ich brauche dieses verdammte Buch
sofort
zum Geburtstag meiner Schwester.”
Als Maggies Computerrecherche ergab, dass es vergriffen war,
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