Der Countdown
jetzt nicht. Sagen Sie ihr, dass ich ein Meeting nach dem anderen habe.”
“Sie
befahl
mir, Ihnen zu sagen, dass es um den Unterhalt geht.”
“Annette, ich kann jetzt nicht mit ihr sprechen.”
“Sicher, Boss.”
Die Tür schloss sich, und Walker atmete durch. Er hatte die Scheidung nie gewollt.
Einen strahlenden Moment lang erinnerte er sich an schönere Zeiten als Rookie beim New Yorker Police Department. Erst auf Streife und an der Abendschule am John Jay College. Dann der Umzug nach Washington zum FBI, wo er Fran kennenlernte, die als Rechtsanwaltsgehilfin arbeitete. Dann die Geburt seiner Töchter, seine Auszeichnungen, die Abstellung zur Antiterroreinheit bei der CIA, dann der Secret Service, Abteilung Präsidentenschutz, dann in der Aufklärung.
Immer im Dienst. Immer unterwegs. Immer nervös.
Schließlich beschuldigte Fran ihn, seinen Job mehr zu lieben als seine Familie. Und in ihrer Kirchengemeinde fand sie einen neuen Freund: Miller Higby, einen Buchhalter mit Nine-to-five-Job, der sie dabei unterstützte, wegen der Unterhaltszahlungen rumzunörgeln, obwohl er sie nie versäumte.
Nie.
Das konnte nur ein Irrtum sein.
Walker konnte sich keine Irrtümer leisten. Nicht in seinem Beruf. Beinahe hätte er deswegen einmal einen Karriereknick erlebt.
Dank eines Arschlochs von Reporter namens Ray Tarver.
Walker hatte ihn bei einer Veranstaltung kennengelernt. Sie hielten ein wenig Small Talk, tauschten Visitenkarten aus. Monate später rief Tarver plötzlich an und sagte, dass er eine Story über die Russenmafia veröffentlichen wolle, die Informationen über Angehörige der Sicherheitsabteilung des Weißen Hauses beinhaltete. Angeblich hätten die Gangster die Agenten mit ihren Spielschulden erpresst. Tarver behauptete, ihm läge ein Geheimbericht der CIA vor, wonach Blake Walker einer der erpressten Agenten sei.
Walker verlor fast den Verstand.
Die Geschichte konnte gar nicht stimmen.
Doch anstatt seine Vorgesetzten zu informieren, begann Walker, andere Agenten zu verdächtigen, dass sie hinter dieser verdammten Story stecken könnten. Es machte ihn verrückt. Er startete seine eigenen geheimen Ermittlungen über seine Kollegen. Gleichzeitig überzeugte er Tarver mit viel Überredungskunst, ihm den Bericht zu überlassen, der ihm als Beweis dienen sollte.
Walker ließ das Dokument analysieren. Die Experten bezweifelten seine Echtheit.
Genau wie er die Echtheit der ganzen Geschichte.
Tarver wollte Walker nicht sagen, wie er an das Dokument gekommen war. Walker konnte nicht ausschließen, dass man Tarver vielleicht hereingelegt hatte. Oder dass er den Bericht selbst
gefälscht
hatte. Tarver ließ die Story sausen, Walker stellte seine Ermittlungen ein.
Tarver hatte überall Quellen. Doch sie spielten mit ihm Katz und Maus. Walker hielt ihn für einen Dünnbrettbohrer, der so vernarrt war in Verschwörungstheorien, dass er Fakten und Fantasie nicht auseinanderhalten konnte. Jemand legte ihm einen Köder aus, und schon ging er darauf los. Wenn Walker daran dachte, welcher Schaden seiner Abteilung durch den Fall hätte entstehen können, kochte sein Blut.
Doch Tarver ließ sich nicht aufhalten.
Mit den kleinsten Hinweisen auf andere Verschwörungen im Gepäck tauchte der Kerl immer wieder auf. Entweder er bauschte ein Körnchen Wahrheit zu einer großen Sache auf, oder er versuchte, Gerüchte oder Anspielungen zu Fakten zu erklären. Walker hätte sich ohrfeigen können, dass ihm bei Tarvers erster Geschichte gleich die Knie gezittert hatten. Dass er überhaupt jemals seine Kollegen verdächtigt hatte. Es war ihm eine Lehre, Reportern wie Ray Tarver gegenüber immer vorsichtig zu sein.
Die Nachricht, dass Tarver da oben in Kanada ums Leben gekommen war, hatte rasch die Runde gemacht. Und es stand in der
Post
. Seine Frau, seine Kinder. Alle tot. Eine Schande.
Walker fragte sich, ob der arme Kerl je auf eine echte Enthüllungsgeschichte gestoßen war.
Aber er musste sich für die nächste Konferenz vorbereiten.
Während er seine Akten zusammensuchte, signalisierte sein Computer, dass ein geheimes Update vom Heimatschutzministerium eingegangen war.
Irgendwas über ein Schiff mit dubioser Fracht.
Die Bedrohungen und Risiken nahmen kein Ende.
So wie die Sache mit dem Priester dort draußen, in Montana. Pater Andrew Stone. Monate im Voraus hatte er online den Besuch des Papstes im winzigen Cold Butte angekündigt – die ganze Welt konnte es lesen. Das verwandelte ein potenzielles Risiko
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