Der Countdown
eine Sache.”
“Schießen Sie los.”
“Ich bin nicht sicher, was das hier bedeutet. Es ist einer der letzten Einträge in Tarvers Notizbuch.”
Walker sah sich die Kopie an. “Blue Rose Creek.” Er schüttelte den Kopf. “Das ist alles?”
“Das ist alles.”
“Aus dem Bauch heraus, würde ich sage, es bedeutet gar nichts. Ich werde es überprüfen lassen – geben Sie mir Ihre Telefonnummern. Ich melde mich dann bei Ihnen.”
33. KAPITEL
W ashington, D. C.
Kate Morrow wusste einiges über Ray Tarver zu berichten.
Und eigentlich wollte sie Graham davon erzählen, fühlte sich deswegen aber unbehaglich.
Fast schon ängstlich.
Das spürte er während ihres Gesprächs im Washingtoner Büro der World Press Alliance, derselben Nachrichtenagentur, bei der Tarver gearbeitet hatte. Graham wollte dort Tarvers Berufskollegen befragen und Kate Morrow, die als Lifestyle-Journalistin arbeitete, hatte den Schreibtisch direkt neben ihm.
“Ray liebte Anita und die Kinder”, sagte sie. “Sie waren die ganze Welt für ihn.”
“Ich verstehe.”
“Hinter seinem abgebrühten Gehabe verbarg sich in Wirklichkeit ein Teddybär.” Sie lächelte. “Er gab mir jeden Tag einen Streifen.”
“Streifen?”
“Kaugummi! Er gab es mir immer kurz vor Redaktionsschluss. Sagte, dass man sich durch Kaugummi besser konzentrieren könne. Ray war ständig am Kauen.”
Morrows Blick wanderte von dem verglasten Konferenzraum in das Großraumbüro, den sogenannten Newsroom, mit all den Menschen, die vor ihren Computern saßen und auf deren Tischen sich alte Zeitungen, Berichte, Pressemitteilungen und Kaffeebecher aus Pappe stapelten.
“Die Jungs hier haben Ray als Verschwörungsfanatiker abgetan, als einen Spinner.”
“Und glauben Sie ebenfalls, dass er das war?”
“Er war ein guter Reporter.” Sie schwieg einen Moment. “Als ich hörte, was in den Bergen geschehen ist, war ich erschüttert. Es ist so traurig, weil Ray uns gerade erst verlassen hatte. Was bei mir eine Menge Fragen unbeantwortet ließ.”
“Zum Beispiel?”
Morrow suchte vergeblich nach einer Antwort. Irgendetwas nagte an ihr. Er merkte es an ihrer Körpersprache, an der Art, wie sie Grahams Blick auswich, an ihrem Armband nestelte, ihre Brille zurechtrückte und sich immer wieder räusperte.
“Miss Morrow, gibt es da etwas über Ray, von dem Sie glauben, dass ich es wissen sollte?”
Sie antwortete nicht.
“Miss Morrow …” Graham senkte die Stimme. “Glauben Sie, dass jemand Ray etwas antun wollte, vielleicht wegen einer Geschichte, die er verfolgte?”
Sie sah ihn an.
“Es war ein Bootsunglück, oder?”, fragte sie. “Das jedenfalls haben die kanadischen Journalisten gesagt, die um Kommentare baten.”
“Es sieht nach einem Bootsunglück aus, doch die Todesursache ist noch nicht endgültig geklärt. Wie schätzen Sie die Lage ein? Nach allem, was Sie über Rays Recherchen mitbekommen haben?”
“Ich?” Sie blinzelte ihre Tränen fort. “Was weiß ich schon? Ich schreibe über Botschaftsempfänge, Diplomaten, Diäten und Dekoration.”
“Sie sagten, er sei ein guter Reporter gewesen. Warum hat er gekündigt?”
“Er verfolgte immer irgendwelche Spuren, schirmte seine Quellen ab. War immer auf der Hut wegen der heimlichen Arbeit an großen Storys. Manche hielten ihn für merkwürdig und zogen ihn auf mit Aliens, Weltuntergangsszenarien, verschwundenen Gewerkschaftsbossen und neuen Elvis-Sichtungen. Es war grausam, doch am Ende fielen die meisten seiner angekündigten Geschichten durch. Er stand ziemlich unter Druck, endlich etwas zu veröffentlichen, das sich beweisen ließ. Bis er schließlich einfach kündigte, um frei arbeiten zu können.”
“Und das war das letzte Mal, dass Sie Kontakt mit ihm hatten?”
Mehrere Sekunden vergingen, bis Morrow langsam den Kopf schüttelte.
“Erzählen Sie mir von Ihrem letzten Kontakt, also nach seiner Kündigung.”
“Ray bat um Hilfe.”
“Was für Hilfe?”
“Frei zu arbeiten heißt, dass man kein regelmäßiges Einkommen hat und seine aufwendigen Recherchen aus eigener Tasche bezahlen muss. Ray bat mich, mit meinem Zugang für ihn einige Namen in unseren Archiven und Datenbanken zu überprüfen.”
“Wann war das?”
“Vor vier, vielleicht fünf Monaten. Ich bin nicht sicher.”
“Haben Sie ihm geholfen?”
“Sie müssen das hier vertraulich behandeln.”
“Das werde ich.”
“Ja, aber ich bekam es mit der Angst zu tun. Meine Suchanfragen wurden markiert.
Weitere Kostenlose Bücher