Der Coup von Marseille
gewinnträchtigen Fracht.
»Wow!«, rief Elena aus. »Hast du das gesehen? Ein richtiges Juwel!« Sie waren am höchsten Punkt der Serpentinenstraße angelangt, und direkt unter ihnen lag ein Haus, auf einem Felsen erbaut, der ins Meer hineinragte, umgeben von einem Pinienhain und geschützt durch die unvermeidliche hohe Außenmauer.
Olivier lächelte. »Monsieur Reboul hofft, dass Sie sich hier wohlfühlen. Er hat auf diesem Anwesen gelebt, bevor er ins Le Pharo zog. Hier sind Sie völlig ungestört. Eine wahre Idylle.« Er fuhr langsamer, um den schmiedeeisernen Toren Zeit zu geben, sich zu öffnen, und hielt auf einem kiesbestreuten Vorplatz, von dem eine kurze Treppe zur massiven Eingangstür des Hauses führte.
Auf der obersten Stufe hatte sich ein zweiköpfiges Empfangskomitee eingefunden: eine schlanke elegante Gestalt mit kurzen grauen Haaren, und eine erheblich größere, jüngere Frau, deren schneeweiße Zähne sich perfekt von ihrem dunklen strahlenden Gesicht abhoben. Olivier machte sie mit Claudine, der Hausdame, und Nanou, dem Hausmädchen aus Martinique bekannt. »Claudine spricht hervorragend Englisch«, fügte Olivier hinzu. »Doch bei Nanou handelt es sich eher um ein work in progress .« Bei der Erwähnung ihres Namens holte Nanou tief Luft. »Wie geht’s?«, fragte sie, gefolgt von »Schönen Tag noch«, wobei sie die Wirkung ihrer Worte beeinträchtigte, indem sie in heilloses Gelächter ausbrach.
Claudine führte Elena und Sam ins Haus, über einen weitläufigen, mit Bienenwachs auf Hochglanz gewienerten und im Fischgrätmuster verlegten Parkettboden, eine breite Freitreppe hinauf und durch eine zweiflügelige Tür in einen Raum, der als ihr Schlafzimmer vorgesehen war.
Sam blickte sich um und stieß einen leisen Pfiff aus. »Ich schätze, wir werden uns schon irgendwie hineinquetschen können. Dieses Zimmer hat ungefähr die gleiche Größe wie meine Wohnung.«
Claudine lächelte. »Das war früher Monsieur Rebouls Schlafgemach.« Sie deutete au f die Türen in der gegenüberliegenden Wand. »Sie haben beide ein eigenes Bad. Monsieur Reboul pflegte zu sagen, das Geheimnis einer harmonischen Beziehung zwischen Mann und Frau sind getrennte Badezimmer.«
»Amen«, bestätigte Sam. Elena gab ein unterdrücktes Schnauben von sich.
»Ich verlasse Sie jetzt, damit Sie auspacken können. Vielleicht möchten Sie danach auf der Terrasse einen Kaffee trinken. Dann gebe ich Ihnen Ihre Handys und stehe für Fragen zur Verfügung.«
Elena war zu einer Besichtigungstour aufgebrochen, um das Fassungsvermögen des Kleiderschranks (geräumig selbst nach amerikanischen Maßstäben), die Bäder (weitläufig, aus Marmor, gute Beleuchtung), das Himmelbett (Grad der Festigkeit und Elastizität angesichts einer einwirkenden Kraft) und den Ausblick durch die endlos langen Panoramafenster zu inspizieren. »Sam, was ist das da drüben auf dem Hügel? Irgendetwas Glänzendes auf der Kuppe. Sieht toll aus.«
Sam gesellte sich zu ihr, nahm hinter ihr Aufstellung und massierte ihr den Nacken, während sie das Panorama in Richtung Nordosten studierte. In der Ferne war die Silhouette der mächtigen Basilika zu erkennen, die er von seinem früheren Besuch in Marseille kannte. Er räusperte sich und schlug einen professionellen Ton an. »Das ist Notre-Dame de la Garde, im neobyzantinischen Stil erbaut, gekrönt von einer feuervergoldeten Marienstatue auf der Turmspitze. Sie ist über neun Meter hoch und wird von den Einheimischen la bonne mère genannt, die gute Mutter, die wegen ihrer wundertätigen Eigenschaften verehrt wird. Im Glockenturm befindet sich eine gewaltige, acht Tonnen schwere Glocke. Ihr Name lautet Marie-Joséphine. Der Klöppel erhielt den Namen Bertrand. Der …«
»Sam, spar dir den Rest.« Sie gab ihm einen flüchtigen Kuss au f die Wange. »Ich springe kurz unter die Dusche, und in der Zwischenzeit könntest du dich rasieren; du hast es nötig.«
Eine Viertelstunde später saßen sie geduscht und umgezogen mit Claudine auf der Terrasse. Das Meer, das tief unter ihnen in der Sonne glitzerte, war mit Segelbooten gesprenkelt. Auf der niedrigen Terrassenmauer zankten sich zwei Möwen laut und unerbittlich um einen von Wind und Wetter gegerbten Fetzen Fleisch, der von einem undefinierbaren, seit Langem toten Etwas zu stammen schien.
»Schau dir diese Viecher an«, sagte Elena. »Die sind ja riesig. Wie Truthähne.«
Claudine schenkte Kaffee ein. »Wenn man den Gerüchten Glauben schenken darf,
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