Der Coup von Marseille
starben.«
»Ich schätze, dass es inzwischen strikte Quarantänebestimmungen gibt, oder?«
»Natürlich. Vor allem heute angesichts der zahlreichen Probleme mit den illegalen Einwanderern. Warum fragst du?«
»Nun, angenommen es gäbe einen Bericht, dass auf dem Seeweg eine ansteckende Krankheit nach Marseille eingeschleppt wurde – sagen wir, auf einem Boot von der Elfenbeinküste … Würden die Behörden, die für die Quarantäne zuständig sind, angesichts einer solchen Gefahr nicht schleunigst Gesundheitskontrollen durchführen, um sicherzugehen, dass sich die Krankheit nicht ausbreitet?«
Philippe grinste zum ersten Mal an diesem Morgen. »Ich weiß schon, was jetzt kommt.«
»Eine Abordnung der Gesundheits- und Einwanderungsbehörde mit ein paar Ordnungshütern als offiziellem Geleit schutz, um alle im Ausland registrierten Schiffe zu inspizieren.«
»Angefangen bei Wappings Schiff?«
»Du sagst es. Aber in einer Nacht- und Nebelaktion, wenn niemand mit einem Besuch rechnet.«
Binnen zehn Minuten hatten sie eine »Einkaufsliste« zusammengestellt, und Sam rief Reboul an.
»Francis, wir haben da eine Idee, doch wir brauchen ein paar Kleinigkeiten, damit wir sie ernsthaft verfolgen können – ein Schnellboot der Polizei, zwei Männer, die als Polizisten durchgehen können, und ein wenig medizinisches Zubehör. Für heute Abend. Können Sie uns damit aushelfen?«
Reboul dachte einen Moment nach. »Das Schnellboot ist kein Problem. Genauso wenig wie die medizinische Ausrüstung. Was die Polizisten betrifft – ach ja, ich glaube, da habe ich genau die Richtigen für Sie. Geben Sie mir eine halbe Stunde Zeit, um alles in die Wege zu leiten; wir treffen uns in einer Stunde im Privatterminal von Marignane, ungefähr zwanzig Kilometer von Marseille entfernt. Bringen Sie Ihren Pass mit, für alle Fälle. Unterwegs können Sie mir Ihre Idee erläutern.«
»Wohin fliegen wir?«
»Nach Korsika, mein Freund. Nach Korsika.«
Sam schüttelte den Kopf, als er auflegte. »Wie leicht das Leben sein kann, wenn man milliardenschwer ist. Sieht ganz so aus, als hätte unser Plan Chancen.«
Philippe war auf und ab marschiert, konnte seine Neugierde kaum noch zügeln. »Und? Und?«
»Reboul fliegt mit mir noch heute Morgen nach Korsika. Zu welchem Zweck genau, weiß ich allerdings nicht.« Sam ging zu Mimi hinüber, die sich in einem Sessel zusammengerollt hatte. Er küsste abermals ihre glühend heiße Stirn wie einen Glücksbringer. »Ich werde nie vergessen, dass du mich auf diese geniale Idee gebracht hast. Und jetzt nimm ein paar Aspirin und geh wieder ins Bett.«
Als Sam im Privatterminal des Flughafen von Marignane eintraf, wartete Reboul bereits auf ihn mit dem Handy am Ohr. Er beendete das Telefonat, eilte auf Sam zu und umarmte ihn. »Es tut mir so leid. Unendlich leid.«
Sam fühlte sich besser und zuversichtlicher als noch vor Stunden. Er war nicht mehr dazu verdammt, die Hände in den Schoß zu legen und zu warten; er konnte aktiv werden, und Aktivität war das beste Heilmittel bei den meisten Problemen. Er klopfte Reboul auf die Schulter. »Keine Sorge, wir werden Elena befreien. Ich bin sicher, dass es klappen wird, sobald wir unsere Polizisten gefunden haben.«
»Warten wir’s ab. Lassen Sie uns an Bord gehen, dann werde ich Ihnen mehr über die beiden erzählen.«
Wieder einmal war Sam verblüfft über das Prozedere beim Einsteigen oder vielmehr den Mangel daran, wenn man mit einer Privatmaschine flog. Sie schlenderten über das Vorfeld zum Flugzeug, wo der Kopilot sie auf der obersten Stufe der Gangway begrüßte. Die Treppe wurde eingezogen, der Pilot rollte über die Startbahn, und schon hoben sie ab für die kurze Strecke nach Calvi an der Westküste Korsikas. Einsteigezeit: drei Minuten.
Der Kopilot servierte Kaffee, und Reboul begann mit der Einsatzbesprechung. Er nannte als Erstes die Namen der beiden Herren, die sie aufsuchen würden: die Figatelli-Brüder, Florian und Joseph, Flo und Jo genannt. Reboul kannte die beiden seit ihrer frühesten Kindheit, als ihr Vater Geschäftsführer eines Hotels gewesen war, an dem Reboul Mehrheitsanteile besaß. Als der Vater nach einem Jagdunfall starb, hatte Reboul die beiden jungen Männer unter seine Fittiche genommen und angeboten, ihnen ein Universitätsstudium zu finanzieren. Zum großen Missfallen ihrer Mutter und mit Rebouls rückhaltloser Billigung hatten sie sich entschlossen, ihrer Ausbildung in Las Vegas den letzten Schliff zu verleihen:
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