Der Coup von Marseille
Geheimnisse der Myrtei -Produktion auslassen, als die Tür aufging und die Figatelli-Brüder erschienen, von denen jeder eine ausgebeulte Tasche trug. Sie stürzten sich mit beängstigendem Elan auf Reboul, küssten ihn, klopften ihm auf die Schulter und umarmten ihn, als wollten sie ihn zerquetschen. »Eh, Sissou, schön, dich zu sehen. Wo hast du die ganze Zeit gesteckt? Wie geht’s? Wen hast du da mitgebracht?«
Sam wurde ihnen vorgestellt, und seine Hand von beiden nacheinander in die Mangel genommen. Muskelbepackt, mit eisenhartem Brustkorb, schwarzen Haaren und den küh len blauen Augen, die man bisweilen im Mittelmeerraum findet, sahen sie gestählt und kompetent aus. Angesichts der Energie, die von ihnen ausströmte, schien es beinahe müßig, jetzt noch darüber nachzudenken, wie weit sie sich auch mit den komplizierten Dienstwegen und amtlichen Gepflogenheiten mediterraner Polizeiapparate auskannten. »Männer, die ihr Geschäft ernst nehmen«, hatte Reboul sie beschrieben. Er blickte auf seine Uhr. »Wir haben nicht viel Zeit. Habt ihr die Uniformen mitgebracht?« Die Figatellis nickten. »Gut. Dann erzähle ich euch jetzt mal, worum es geht.«
Eine halbe Stunde später befanden sich die vier auf dem Rückweg zum Flughafen. Sam war beeindruckt von der Art, wie die beiden Brüder auf die kurze Einweisung reagiert hatten, sie hatten aufmerksam zugehört und nur unterbrochen, um sachdienliche Fragen zu stellen. Er gestattete sich einen erneuten Anflug von Optimismus. Nun musste er nur noch seine Krankenschwester rekrutieren.
Er rief sie aus dem Flugzeug an. »Daphne, Sam hier. Ich habe ein Problem, bei dem ich Ihre Hilfe brauche. Können wir uns in einer Stunde oder so im Haus treffen?«
»Was haben Sie angestellt, Sie ungezogener Junge? Natürlich komme ich.« Als Daphne Perkins auflegte, verspürte sie ein angenehmes Kribbeln, das Vorfreude signalisierte. Sie hatte vorgehabt, den Nachmittag mit einer Partie Whist und distinguierten Gesprächen im Freundeskreis zu verbringen, doch Sams Gesellschaft versprach interessanter zu werden. Dieser Bursche war immer für eine Überraschung gut.
Elena regte sich, öffnete die Augen und versuchte sich aufzusetzen. Sie fühlte sich elend, und ihr war speiübel. Ihre Kehle war trocken, und es fiel ihr schwer, den Blick zu fokussieren. Sie nahm kaum die Gestalt wahr, die neben ihr in der verdunkelten Kabine hockte, spürte aber die Nadel, die in ihren Arm eindrang. Mit diesem Schmerz hatte es auch angefangen. Aber wo und warum? Sie versuchte die Augen offen zu halten, doch die Müdigkeit war zu stark, und sie schlief wieder ein.
»Wenn Sie eine Flasche Stout hätten, mein Lieber, wäre das gerade recht. Bier ist das beste Mittel gegen die Hitze.«
Sam inspizierte den Kühlschrank. Er fand eine Flasche deutsches Bockbier, das dem Stout noch am nächsten kam, füllte ein Glas und stellte es vor Daphne auf den Tisch. Sie löschte den Durst mit einem ausgiebigen Schluck. »Jetzt geht es mir gleich viel besser, mein Lieber. Vielen Dank. Es ist so heiß auf den Straßen, und mein armer alter 2CV besitzt keine Klimaanlage.« Sie nahm einen weiteren Schluck und tupfte ihre Lippen mit einem Spitzentaschentuch ab. »Also. Worum handelt es sich bei dem Problem, das Sie erwähnt haben?«
Als Sam mit seiner Erklärung am Ende war, waren Daphnes Lippen vor Wut zusammengepresst. »Diese Verbrecher!«, rief sie aus. »Man sollte sie auspeitschen. Das arme, arme Mädchen. Wie kann ich helfen?«
Sam setzte sie von den Vorbereitungen für den Rettungsversuch in Kenntnis. »Ich werde den Doktor spielen. Aber da gibt es ein Problem. Ich kann mit der richtigen Verkleidung mein Erscheinungsbild verändern, aber nicht meine Stimme. Also werde ich so tun, als sei ich ein französischer Arzt, der kein Wort Englisch spricht. Und an dieser Stelle, hoffe ich zumindest, kommen Sie ins Spiel als Dolmetscherin mit einer qualifizierten medizinischen Ausbildung, die imstande ist, meine Anweisungen auf Englisch weiterzuleiten. Mit anderen Worten: Sie treten als Schwester Perkins in Aktion, die rechte Hand des Arztes.« Sam blickte sie fragend an. »Das heißt, sofern Sie dazu bereit wären.«
Daphnes strahlende Miene reichte als Antwort aus. »Was für eine Frage! Natürlich bin ich mit von der Partie.«
»Sie besitzen nicht zufällig eine Schwesterntracht?«
Daphne schürzte die Lippen. »Es ist schon einige Zeit her, seit mir ein Mann diese Frage gestellt hat, mein Lieber. Aber ich kann mir
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