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Der Courier des Czar

Der Courier des Czar

Titel: Der Courier des Czar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Beine!«
    Wenn Alcide Jolivet vermuthete, daß Jene im Solde des Emirs standen, so täuschte er sich, wie wir wissen, nicht. In den ersten Reihen der Zigeunerinnen sah man Sangarre in einem wunderlichen, aber prächtigen Anzuge, der ihre Schönheit vortheilhaft hervorhob.
    Sangarre selbst tanzte nicht, sondern setzte sich, einer Herrscherin vergleichbar, in die Mitte ihrer Balleteufen, deren phantastische Pas Reminiscenzen an alle in Europa von ihnen durchzogene Länder, an Böhmen, Italien, Spanien, sowie auch an Egypten wach riefen.
    Sie erregten sich gegenseitig durch den Lärmen der Cymbeln an ihren Armen, und durch das Schnarren der »Daïres«, eine Art baskischer Trommeln, welche sie mit den Fingern schlugen.
    Sangarre hielt ebenfalls einen solchen Daïre in der Hand, durch dessen Schall sie diese Truppe wahrhaftiger Korybanten noch mehr anfeuerte.
    Dann trat ein junger Zigeuner von kaum fünfzehn Jahren vor. Er trug eine Dutare, deren Saiten er durch das Anschlagen mit den Nägeln eine leise Melodie entlockte. Er sang. Eine Tänzerin nahm neben ihm Platz und verhielt sich ruhig, so lange er einen Vers seines Liedes vortrug; nur wenn der Refrain desselben von den Lippen des jugendlichen Sängers erklang, sprang sie zum rasenden Tanze auf, schlug ihren Daïre und suchte Jenen durch das Getöse ihrer Schellentrommel zu übertönen.
    Nach dem letzten Refrain umschwärmten die Zigeunerinnen alle den Sänger und verflochten ihn gleichsam in die verworrenen Falten ihres Tanzes.
    Als Belohnung fiel ein Regen von Goldstücken aus den Händen des Emirs, seiner Verbündeten und denen der Officiere aller Grade nieder, und zu dem Klingen der Münzen, welche die Cymbeln der Tänzerinnen trafen, mischten sich noch die letzten Töne der Dutares und der Tambourins.
    »Verschwenderisch, wie die Räuber gewöhnlich!« raunte Alcide Jolivet seinem Gefährten in’s Ohr.
    Und es war auch wirklich gestohlenes Geld, welches hier niederfiel, denn mit den tartarischen Tomans und Sequies regnete es auch Ducaten und russische Rubelstücke.
    Dann ward es einen Augenblick still, und die Stimme des Henkers, der seine Hand auf Michael Strogoff’s Schulter legte, sprach noch einmal die Worte, deren Wiederholung sie um so unheilvoller klingen ließ:
    »Sieh mit allen Deinen Augen, sieh Dich um!«
    Diesesmal bemerkte Alcide Jolivet aber, daß der Henker nicht mehr seinen blanken Säbel in der Hand hatte.
    Indeß sank die Sonne langsam unter den Horizont. Ein sanftes Helldunkel verhüllte schon die entfernten Theile des Platzes. Der Cedern-und Pinienwald erschien schwärzer und die in der Ferne dunkel fluthenden Wellen des Tom verschwanden in dem Abendnebel. Die Stadt ruhte im Schatten, der auch bald das Plateau erreichen mußte.
    Jetzt drangen plötzlich mehrere hundert Sklavinnen mit Fackeln in den Händen auf den Platz. Von Sangarre geführt, traten die Zigeunerinnen und Perserinnen wieder vor dem Throne des Emirs auf und suchten durch den Contrast gegen ihre früheren Tänze und Evolutionen noch mehr zu ergötzen. Alle musikalischen Instrumente des tartarischen Orchesters vereinigten sich zu wilderen Harmonien, begleitet von den rauhen Kehltönen der Sänger. Die Drachen, welche man vorher herabgezogen hatte, flogen, geschmückt mit einem ganzen Sternbild buntfarbiger Lampen, wieder auf, und ihre Saiten erklangen mitten in dieser Luft-Illumination heller und voller.
    Dann schloß sich eine Escadron Tartaren in Kriegsuniform dem Tanze an, der an Wildheit allmälig zunahm, und bald begann eine Vorstellung, die den fremdartigsten Eindruck hervorbrachte.
    Während des Springens und Tanzens erfüllten diese Soldaten mit blanken Waffen die Luft durch das Knallen ihrer langen Pistolen, das Knattern der Musketen, das sich mit dem rollenden Ton der Tambourins, dem Schnarren der Daïres und dem Knirschen der Doutaren mischte. Ihre Schießwaffen waren dabei, nach chinesischer Art, mit einem durch gewisse metallische Zusätze farbig abbrennenden Pulver geladen und sprühten lange rothe, grüne und blaue Feuerstrahlen in die Luft, so daß es schien, als wogten alle diese lebenden Gruppen in einem Meere von Feuer. Dieses Divertissement erinnerte gewissermaßen an die Cybistik (Springkünste) der Alten, eine Art militärischen Tanzes, bei dem die Theilnehmer sich mitten zwischen Säbel-und Dolchspitzen hindurchwanden, und es ist nicht unwahrscheinlich, daß die Berichte davon sich bis auf die Völker Centralasiens fortgeerbt haben; diese tartarische

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