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Der Courier des Czar

Der Courier des Czar

Titel: Der Courier des Czar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Cybistik aber erschien noch weit märchenhafter durch die farbigen Flammen, welche über den Tänzerinnen loderten und die ganze Gruppe mit glitzernden Funken schmückten. Es war wie ein Kaleidoskop von Blitzen, das in seinen Zusammenstellungen mit jeder Bewegung der Tanzenden wechselte. So satt ein pariser Journalist auch gegenüber derartigen Vorstellungen sein mag, in denen es die moderne Bühnentechnik ja so weit gebracht hat, so konnte Alcide Jolivet doch eine leichte Bewegung mit dem Kopfe nicht unterlassen, die zwischen dem Boulevard Montmartre und La Madeleine etwa: »Nicht übel, nicht übel!« bedeutet hätte.
    Plötzlich verloschen wie auf ein Signal alle Flammen dieses Feuermeeres, die Tänze hörten auf, die Tänzerinnen verschwanden. Die Ceremonie war vorbei und nur die Fackeln leuchteten noch auf dem Plateau, das vorher in tausend Lichtern erglänzte.
    Auf ein Zeichen des Emirs ward Michael Strogoff mitten auf den Platz geführt.
    »Blount, sagte Alcide Jolivet zu seinem Begleiter, wollen Sie auch das Ende hiervon noch ansehen?
    – Nicht um Alles in der Welt, erwiderte Harry Blount.
    – Ihre Leser des Daily Telegraph werden nicht so sehr darauf erpicht sein, die Einzelheiten einer Gerichtsvollstreckung nach Sitte der Tartaren kennen zu lernen..
    – Nicht mehr als Ihre Cousine.
    – Armer Kerl! fügte Alcide Jolivet hinzu mit einem Blicke auf Michael Strogoff. Dieser wackere Soldat hätte einen besseren Tod auf dem Felde der Ehre verdient!
    – Können wir etwas zu seiner Rettung thun? sagte Harry Blount.
    – Nein, leider gar nichts.«
    Die beiden Journalisten erinnerten sich des uneigennützigen Entgegenkommens Michael Strogoff’s, sie wußten nun, welche Prüfung er, ein Sklave seiner Pflicht, hatte über sich ergehen lassen, und nichts konnten sie für den Gefangenen in der grausamen Hand der Tartaren, gar nichts für ihn thun!
    Da sie keineswegs begierig waren, der Vollstreckung des Urtheils an dem Unglücklichen beizuwohnen, so kehrten sie nach der Stadt zurück.
    Eine Stunde später trabten sie schon auf der Straße nach Irkutsk, um unter dem russischen Heere »den Revanchekrieg«, wie Alcide Jolivet schon zu sagen beliebte, weiter zu verfolgen.
    Inzwischen stand Michael Strogoff aufrecht da, mit einem Blicke voll männlichen Stolzes auf den Emir, voll Verachtung gegen Iwan Ogareff. Er erwartete sterben zu müssen, und doch hätte man vergeblich ein Zeichen der Schwäche an ihm zu entdecken gesucht.
    Die Zuschauer am Rande des Platzes ebenso wie der Generalstab Feofar-Khan’s, für welche diese Hinrichtung nur ein Lockmittel zum Ausharren war, erwarteten die Vollstreckung des Urtheils. Nach Stillung ihrer Neugier brannte diese wilde Horde vor Verlangen, sich thierisch zu berauschen.
    Der Emir gab ein Zeichen. Von Garden gedrängt, näherte sich Michael Strogoff mehr der Terrasse, und Feofar-Khan sprach zu ihm in der auch ihm verständlichen tartarischen Mundart:
    »Du kamst, um zu sehen, Spion der Russen. Du hast zum letzten Mal gesehen. Nach Verlauf einer Minute werden Deine Augen dem Lichte für immer verschlossen sein!«
    Nicht den Tod sollte Michael Strogoff also erleiden, aber von ewiger Blindheit geschlagen werden. Ist der Verlust des Gesichts vielleicht nicht noch schrecklicher als der des Lebens? Der Unglückliche war verdammt, geblendet zu werden.
    Auch als Michael Strogoff das über ihn gefällte Urtheil aus dem Munde des Emirs vernahm, erbleichte er nicht. Er blieb unerschüttert, die Augen weit geöffnet, stehen, als wollte er sein ganzes Leben in diesen letzten Blick zusammendrängen. Diese Unmenschen um Gnade anzuflehen, erschien nicht nur unnütz, sondern auch seiner unwürdig. Er dachte überhaupt gar nicht daran. Alle seine Geistesthätigkeit condensirte sich, so zu sagen, in seiner unwiderruflich verfehlten Mission, in seiner Mutter und Nadia, die er nie wiedersehen sollte. Dennoch ließ er äußerlich nichts von der tiefen Erregung seines Innern blicken.
    Sein ganzes Wesen durchzuckte der Gedanke, sich noch einmal auf irgend eine Weise zu rächen. Er kehrte sich zu Iwan Ogareff um.
    »Iwan, begann er mit drohender Stimme, Iwan, elender Verräther, die letzte Drohung meiner Augen wird für Dich sein!«
    Iwan Ogareff zuckte mit den Achseln.
    Aber Michael Strogoff täuschte sich. Nicht mit einem Blicke der Wuth auf Iwan Ogareff sollten sich seine Augen für immer schließen.
    Marfa Strogoff näherte sich ihm.
    »Meine Mutter! rief er, Dir, ja Dir sollen meine letzten Blicke

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