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Der Courier des Czar

Der Courier des Czar

Titel: Der Courier des Czar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Rauchwirbeln stiegen diese Funken fünf-bis sechshundert Fuß hoch in die Luft empor. Am rechten Ufer selbst schienen die Bäume, im Widerscheine des röthlichen Lichtes, selbst in Flammen zu stehen. Nun reichte ja schon ein Funke hin, der auf die Angara niederfiel, die Feuersbrunst auch dem Strome mitzutheilen und Verderben bis zum anderen Ufer zu tragen. Die Zerstörung des Flosses und der Tod seiner Insassen mußte dann die nothwendige Folge sein.
    Zum Glück wehte der schwache Nachtwind nicht nach dieser Seite. Er blies fortwährend aus Osten und trieb die Flammen von dem linken Ufer ab. Möglicher Weise konnten die Flüchtlinge also dieser entsetzlichen Gefahr entgehen.
    Wirklich ließen sie die brennende Ortschaft bald hinter sich. Nach und nach erblaßte der Feuerschein, das Knistern und Krachen verstummte, und bald verschwand auch der letzte Schimmer hinter dem hohen Ufer der Angara, welche hier einen scharfen Bogen bildet.
    So kam die Mitternacht heran. Die tiefe Finsterniß schützte wieder das Floß. An beiden Ufern trieben sich da und dort Tartaren umher. Man sah sie zwar nicht, hörte sie aber, übrigens glänzten auch die Feuer der äußersten Vorposten hell durch die Nacht.
    Inzwischen machte es sich bei den immer mehr zusammen gedrängten Eisschollen nöthig, mit größter Vorsicht weiter zu fahren.
    Der alte Seemann erhob sich und die Mujiks ergriffen ihre Stangen. Alle waren vollauf beschäftigt, da die Führung des Flosses immer schwieriger und das Bett des Flusses immer enger wurde.
    Michael Strogoff war nach dem Vordertheile geschlichen.
    Alcide Jolivet folgte ihm.
    Beide vernahmen die zwischen dem alten Seemann und seinen Leuten gewechselten Worte.
    »Achtung, dort rechts!
    – Links drängen ein paar Schollen heran!
    – Stoß’ ab, fest mit der Stange!
    – Vor Verlauf einer Stunde sitzen wir fest …
    – Wenn Gott das will! sagte der alte Seemann. Gegen seinen Willen ist nichts zu thun.
    – Hören Sie Jener fragte Alcide Jolivet.
    – Ja, erwiderte Michael Strogoff, aber Gott ist mit uns!«
    Inzwischen ward die Situation immer ernster. Wurde das Floß wirklich aufgehalten, so gelangten die Flüchtlinge nicht nur nicht nach Irkutsk, sondern mußten jedenfalls auch ihr schwimmendes Transportmittel verlassen, das, von den Eisschollen gedrückt, bald unter ihnen in Stücke gehen würde. Dann drohten ja die aus Weidenzweigen bestehenden Bänder zu reißen, die von einander weichenden Fichtenstämme unter das Eis zu gerathen und den Unglücklichen wäre nichts Anderes als Zuflucht verblieben als die schwankenden Schollen selbst. Nach Anbruch des Tages hätten sie dann die Tartaren ohne Zweifel entdecken müssen, von deren Hand keine Gnade zu hoffen war.
    Michael Strogoff kehrte nach dem Hintertheile, wo Nadia sich aufhielt, zurück. Er näherte sich derselben, faßte ihre Hand und legte ihr die oft wiederholte Frage vor: »Bist Du bereit, Nadia?« – welche sie wie immer mit.
    »Ich bin stets und zu Allem bereit!« beantwortete.
    Noch einige Werft drängte sich das Floß zwischen dem Schollengewirr dahin. Verengerte sich die Angara noch mehr, so mußte sich ein Eisschutz bilden, der die Weiterbenutzung der Wasserstraße so gut wie unmöglich machte. Schon wurde die Bewegung offenbar eine langsamere. Jeden Augenblick fühlte man Stöße und sah, wie das Floß abwich. Hier mußte man sich vor dem vorspringenden Ufer in Acht nehmen, dort eine enge Durchfahrt passiren. Immer wiederholten sich unerwünschte Verzögerungen.
    Nun dauerte die Nacht ja auch nur noch wenige Stunden. Erreichten die Flüchtlinge Irkutsk nicht vor fünf Uhr des Morgens, so konnten sie auch alle Hoffnung aufgeben, jemals hinein zu gelangen.
    Gegen halb zwei Uhr stieß das Floß trotz aller Anstrengungen gegen einen compacten Eisschutz und blieb hier fest stehen. Die nachrückenden Schollen drängten es noch mehr an jenen an, und machten es dadurch so unbeweglich fest, als ob es auf einer Klippe gescheitert wäre.
    An dieser Stelle verengerte sich die Angara ungemein, so daß die Breite ihres Bettes nur noch die Hälfte der gewöhnlichen betrug. Hieraus erklärte sich diese Anhäufung von Schollen, welche allmälig mit einander verlötheten, sowohl durch den ganz beträchtlichen Druck, unter dem sie standen, als auch durch die Kälte, welche fühlbar zunahm. Fünfhundert Schritte weiter unten dehnte sich das Flußbett wieder aus, und hier trieben einzelne Schollen, die sich von Zeit zu Zeit von der Eisbank lösten, in der

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