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Der Courier des Czar

Der Courier des Czar

Titel: Der Courier des Czar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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sich noch rechtzeitig erinnerte, daß er auf keinen Fall eine Unklugheit begehen dürfe, wich unwillkürlich aus.
    »Mich hat Keiner nöthig zu erkennen,« erwiderte er.
    Ganz ruhig trat er etwa zehn Schritte von dem Anfragenden zurück.
    Bei genauerer Betrachtung überzeugte er sich, daß er es mit einer Art Zigeuner zu thun hatte, wie man sie häufig bei allen Messen und Märkten trifft, und deren Berührung nach keiner Seite hin angenehm ist. Weiter erkannte er auch noch trotz der zunehmenden Dunkelheit einen geräumigen Wagen, die gewöhnliche Wohnung dieser Zigeuner oder Tsiganen, die sich in Rußland überall in Massen umhertreiben, wo einige Kopeken zu erhaschen sind.
    Der Zigeuner war inzwischen einige Schritte vorgetreten und schickte sich eben an, Michael Strogoff weiter auszufragen, als sich die Thür der Bude öffnete. Ein Weib, welches kaum zu sehen war, trat rasch heraus und eiferte in einem rohen Dialect, den Michael Strogoff als ein Gemisch von mongolischer und sibirischer Sprache erkannte:
    »Wieder ein Spion! Laß ihn und komm zum Essen. Die ›Papluka‹ 1 wartet.«
    Michael Strogoff mußte unwillkürlich lachen, als er diesen Titel hörte, er, der vielmehr allen Spionen möglichst auswich.
    In derselben Sprache, aber mit wesentlich abweichendem Accente, antwortete der Zigeuner einige Worte, etwa des Inhalts:
    »Du hast recht, Sangarre; übrigens werden wir morgen weg sein!
    – Schon morgen? entgegnete das Weib halblaut und offenbar einigermaßen überrascht.
    – Ja wohl, Sangarre, bedeutete sie der Zigeuner, morgen, unser Vater selbst sendet uns weg …. wohin wir wollen!«
    Hiernach zogen sich Beide in die Bude zurück, deren Thür von Innen sorgfältig geschlossen wurde.
    »Recht nett, sagte sich Michael Strogoff; wenn diese Zigeuner aber hoffen, nicht verstanden zu werden, so rathe ich Ihnen, sich in meiner Gegenwart einer anderen Sprache zu bedienen.«
    Als geborener Sibirier, der seine ganze frühe Jugend in der Steppe verlebt hatte, kannte Michael Strogoff, wie erwähnt, fast alle gebräuchlichen Mundarten von der Tartarei bis zum Eismeere. Um die zwischen dem Zigeuner und dem Weibe gewechselten Worte selbst bekümmerte er sich blutwenig. Welches Interesse konnte er daran haben?
    Bei der schon vorgeschrittenen Nachtstunde gedachte er nun auch nach der Herberge zurückzukehren, um sich einige Ruhe zu gönnen. Er folgte auf seinem Rückwege dem Laufe der Wolga, deren Wasser unter der dunklen Masse unzähliger Fahrzeuge fast verschwand. An der Richtung des Flusses erkannte er genauer den eben verlassenen Ort. Diese Haufen von Fuhrwerken und Buden standen auf eben dem geräumigen Platze, auf dem alljährlich die große Messe von Nishny-Nowgorod abgehalten wurde – ein Erklärungsgrund für die Anwesenheit einer ganzen Menge von Gauklern und Zigeunern, welche der Wind von allen Ecken der Welt her hier zusammengeweht hatte.
    Eine Stunde später ruhte Michael Strogoff in etwas unruhigem Schlummer auf einem jener russischen Betten, welche dem Ausländer so hart vorkommen, und erwachte am anderen Morgen, am 17. Juli, bei hellem Tage.
    Noch hatte er fünf Stunden in Nishny-Nowgorod auszuhalten, die ihm ein Jahrhundert dünkten. Womit konnte er diesen Vormittag anders hinbringen, als mit einer Wanderung durch die Straßen wie am Tage vorher? Hatte er sein Frühstück verzehrt, seinen Reisesack geschnallt, den Podaroshna von der Polizei visirt erhalten, so konnte er sofort abreisen. Er war aber nicht der Mann dazu, bei Sonnenschein sich im Bette zu wälzen; deshalb stand er auf, kleidete sich an, verbarg den Brief mit dem kaiserlichen Siegel sorgsam tief in der inneren Tasche seines Ueberkleides, um welches er den Gürtel schnallte. Dann schloß er seinen Reisesack und warf ihn über den Rücken. Da er nicht noch einmal nach »Stadt Konstantinopel« zurückkehren wollte und an dem Ufer der Wolga zu frühstücken gedachte, um nahe dem Dampfschifflandungsplatze zu sein, bezahlte er seine Rechnung und verließ das Gasthaus.
    Aus übergroßer Sorge begab sich Michael Strogoff nochmals nach den Bureaux der Steamer und versicherte sich, daß der »Kaukasus« zur angegebenen Stunde abfahren werde. Da stieg ihm zum ersten Male der Gedanke auf, daß die junge Liefländerin, da sie ja ebenfalls über Perm reisen mußte, sich höchst wahrscheinlich auch auf dem »Kaukasus« einschiffen würde, in welchem Fall Michael Strogoff sicher mit ihr zusammentreffen mußte.
    Die obere Stadt mit ihrem Kreml von zwei Werst

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