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Der Courier des Czar

Der Courier des Czar

Titel: Der Courier des Czar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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vorsichtig sein und Alles strengstens vermeiden, was den Courier des Czaren nur irgend compromittiren könnte.
    Die Zigeunerin bewegte nur ein Gedanke, der, Iwan Ogareff Bericht zu erstatten. Sie verließ also sofort das Lager.
    Nach Verlauf einer Viertelstunde gelangte sie nach Zabediero und wurde in das von dem Oberbefehlshaber des Emirs bewohnte Haus eingelassen.
    Sofort empfing Iwan Ogareff die Zigeunerin.
    »Was willst Du von mir, Sangarre? fragte er.
    – Der Sohn Marfa Strogoff’s befindet sich im Lager, antwortete das Weib.
    – Als Gefangener?
    – Als Gefangener!
    – O, rief Iwan Ogareff, so werde ich wissen …
    – Du wirst Nichts wissen, Iwan, siel ihm die Zigeunerin in’s Wort, denn Du kennst ihn ja nicht.
    – Aber Du kennst ihn, Du! Du hast ihn gesehen, Sangarre!
    – Nein, noch sah ich ihn nicht, aber seine Mutter verrieth sich durch eine Bewegung, die mir Alles erklärte.
    – Täuschest Du Dich nicht?
    – Ich täusche mich nicht.
    – Du weißt, welches Gewicht ich auf die Einbringung dieses Couriers lege, sagte Iwan Ogareff. Wird das ihm in Moskau jedenfalls übergebene Cabinetsschreiben dem Großfürsten ausgehändigt, so wird dieser auf seiner Hut sein und ich werde mich ihm nicht zu nähern vermögen. Jenen Brief muß ich also um jeden Preis erlangen. Nun kommst Du mit der Meldung, der Ueberbringer jener kaiserlichen Botschaft befinde sich schon in meiner Gewalt. Ich frage Dich also noch einmal, Sangarre, täuschte Dich Deine Beobachtung nicht?«
    Iwan Ogareff hatte sehr lebhaft gesprochen. Seine Erregung bewies, welchen Werth er auf den Besitz jenes Briefes legte. Sangarre wurde von der bestimmten Wiederholung jener Frage keineswegs betroffen oder wankend in ihrer Ueberzeugung.
    »Ich täusche mich nicht, Iwan, antwortete sie mit Nachdruck.
    – Im Lager befinden sich aber mehrere Tausend Gefangene, und Du sagtest, daß Dir Michael Strogoff von Person nicht bekannt sei.
    – Nein, versetzte Sangarre, in deren Augen eine wilde Freude aufblitzte, ich, ich kenne ihn nicht, aber seine Mutter kennt ihn doch. Nun, Iwan, man wird seine Mutter zum Sprechen zwingen müssen.
    – Morgen soll das geschehen!« erwiderte Iwan Ogareff.
    Dann streckte er der Zigeunerin seine Hand hin und diese küßte sie, ohne daß diese bei den Völkerschaften des Nordens so gebräuchliche Achtungsbezeigung den Anschein der dienerhaften Unterwürfigkeit zeigte.
    Sangarre kehrte nach dem Lager zurück. Sie spürte bald die Stelle aus, an der sich Nadia und Marfa Strogoff befanden, und ließ diese nun die ganze Nacht über nicht aus den Augen. Die bejahrte Frau und das junge Mädchen schliefen nicht, trotzdem daß die Erschöpfung sie fast übermannte. Eine fieberhafte Unruhe hielt sie munter. Michael Strogoff war am Leben, aber Gefangener gleich ihnen. Wußte das Iwan Ogareff, und wenn nicht, würde er es noch erfahren? Nadia beschäftigte sich nur mit dem einen Gedanken, daß ihr todt geglaubter Gefährte noch lebe. Marfa Strogoff’s Blick reichte weiter in die Zukunft, und wenn sie auch um sich selbst nicht besorgt war, so hatte sie doch Grund genug, für ihren Sohn das Schlimmste zu befürchten.
    Sangarre schlich sich im Dunkeln bis dicht an die beiden Frauen heran und verweilte so einige Stunden lang gespannt lauschend … Vergeblich. Wie durch ein geheimes Gebot der Klugheit vermieden es Marfa Strogoff und Nadia überhaupt ein Wort zu wechseln.
    Am folgenden Tage, dem 16. August, Morgens gegen zehn Uhr, schmetterten helle Fanfaren am Rande des Lagers. Die tartarischen Soldaten traten augenblicklich unter die Waffen.
    Aus Zabediero kam Iwan Ogareff, umgeben von einem zahlreichen Stabe tartarischer Officiere, herangeritten. Sein Antlitz erschien noch finsterer als gewöhnlich, und die strengen Züge verriethen einen verhaltenen Zorn, der nur auf eine Gelegenheit zum Ausbruch harrte.
    Unter einer Gruppe Gefangener verloren, sah Michael Strogoff seinen Feind vorüber kommen. Er hatte das unbestimmte Vorgefühl, daß jetzt eine Katastrophe nahe sei, denn Iwan Ogareff wußte, daß Marfa Strogoff die Mutter Michael Strogoff’s, des Officiers im Corps der Czarencouriere, sei.
    Als Iwan Ogareff in der Mitte des Lagers anlangte, stieg er vom Pferde, und die Officiere seiner Escorte bildeten einen weiten Kreis rings um ihn.
    Da näherte sich Sangarre wieder und sagte.
    »Ich habe Dir nichts Neues zu melden, Iwan!«
    Iwan Ogareff antwortete nur durch Ertheilung eines Befehles an einen der Officiere.
    Bald darauf drängten

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