Der Cyberzombie
gefangen zu sein. Sie ist sein mechanisches und elektronisches Gefängnis, noch dazu eines, das er selbst geschaffen hat. Entscheidend ist nur, daß er seine Experimente hinsichtlich des Persönlichkeitstransfers nicht fortsetzt, und du hast bereits alle diesbezüglichen Daten gelöscht.«
»Außerdem habe ich seine wissenschaftliche Leiterin zu Saeder-Krupp versetzen lassen.«
Ryan lachte. »Perfekt.«
Alice schwieg eine Weile. Sie rauchte ihre Zigarette, während sie darüber nachdachte. Vielleicht hatte Ryan recht. Roxborough würde in seinem gegenwärtigen Zustand niemals glücklich sein, und Alice hatte ihm die Fähigkeit geraubt, sich einen Körper zu beschaffen. Zumindest für viele Jahre.
Sie sah Ryan an. »Also gut, ich lasse ihn frei. Ich kenne sein System jetzt in- und auswendig, und ich habe unzählige Hintertüren für mich eingerichtet. Es wird ihm nie gelingen, mich auszusperren, wenn er sich nicht so vollkommen isoliert, daß er völlig allein ist.«
»Er haßt das Alleinsein mehr als alles andere.«
»Genau.«
»Freut mich, daß ich dir helfen konnte«, sagte Ryan.
»Vielleicht kann ich mich revanchieren.«
»Wie meinst du das?«
Alice achtete peinlich genau darauf, ihre Schulden mit Zins und Zinseszins zu bezahlen. Sie hatte ihn mit der Fehlinformation über Damien Knight unabsichtlich in die Irre geführt, und das wollte sie wiedergutmachen. Nach allem, was Alice wußte, war Ryans Auftrag längst nicht erfüllt, und sehr bald würde es für ihn noch gefährlicher werden. Er konnte jede Hilfe gebrauchen, die er bekam.
»Sei vorsichtig, Ryan. Es gibt Daten, die darauf hindeuten, daß Dunkelzahn und Harlekin seit langer Zeit Bekannte sind, vielleicht Freunde, vielleicht Feinde. Seit sehr langer Zeit.«
»Alice, woher weißt du das?«
»Ryan, ich bitte dich, ich habe Zugang zu praktisch jeder Informationsquelle in der Matrix. Harlekin ist sehr mächtig und möglicherweise ein Intimfeind des Drachen. Auf meiner gegenwärtigen Liste derjenigen, die für den Anschlag auf Dunkelzahn in Frage kommen, steht er ziemlich weit oben.«
Ryan schien ein Schauder zu überlaufen. »Danke für die Warnung, Alice, aber ich muß ihn um Hilfe bitten. Dunkelzahn hat es so gewollt.«
»Ich weiß«, sagte Alice. »Ich wollte dir nur sagen, du solltest besser die Augen offenhalten, wenn du zu ihm gehst.«
»Ich weiß das zu schätzen.«
»Sieh zu, daß du etwas Ruhe bekommst, Ryan Mercury. Du wirst sie nötig haben.«
Ryan lehnte sich in seinem Bett zurück. »Das werde ich tun«, sagte er. »Und grüße Roxborough von mir. Ich wünschte, ich könnte sein Gesicht sehen, wenn ihm klar wird, daß du seine Datenspeicher leergefegt hast.«
»Ich zeichne es für dich auf.« Dann unterbrach Alice die Verbindung und spürte einen Schauder der Erregung auf ihrer Haut, als sie an Roxboroughs Reaktion dachte. Sie freute sich schon auf die Begeisterung, die er empfinden würde, wenn er sich in seinem System wiederfand. Zu Hause. Und dann auf die bittere Enttäuschung, die folgen würde, wenn ihm klar wurde, daß er seine Hoffnungen begraben mußte, der Matrix je zu entkommen.
Alice lächelte das Grinsen der Tigerkatze und hüpfte vor Aufregung hin und her. Das wird ein Spaß.
MEMO
V ON : J ANE - IN - THE -B OX
A N : N ADJA D AVIAR
D ATUM : 20 . A UGUST 2057
B ETRIFFT : D IE L EGENDE VON T HAYLA
Dunkelzahns Institut für Magische Forschung hat dieses Dokument ausgegraben. Ich dachte, es würde Sie interessieren. Text folgt:
Vor vielen Zeitaltern, bevor die Menschheit mit der Niederschrift ihrer Erlebnisse begann, lebte eine Königin von großer Schönheit und noch größerem Herzen. Thayla herrschte über ein üppiges grünes Tal, das zwischen zwei Bergketten lag, die sich wie Zinnen in den Himmel erhoben. Unter ihrer Herrschaft wuchs und gedieh das Land, das sie liebte, und ihr Volk freute sich seines Lebens.
Jeden Morgen begrüßte Thayla die auf gehende Sonne mit einem Lied. Sie sang mit einer Stimme so klar wie die Luft und so hell wie die Sonne selbst. Nichts Finsteres oder Böses konnte in ihrem Land gedeihen, da es die Reinheit ihrer Stimme nicht ertrug.
Eines Nachts schickte sich eine Armee finsterer Wesen an, in das Tal einzudringen, um das Land zu überrennen und es durch ihre böse Ausstrahlung zu verderben. Thayla erhob sich an diesem Morgen wie immer und sang, als sie die finstere Armee sah. Ihre Stimme erfüllte das Tal mit Kraft und Hoffnung.
Der Horde, der die Stimme die
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