Der Cyberzombie
Es könnte ein Unfall gewesen sein.«
Alice dachte einen Augenblick darüber nach. »Das entbindet dich nicht von deiner Schuld. Die zweite Möglichkeit?«
»Ist einfach die, daß wir es mit einem Drachen zu tun haben.«
»Was soll das jetzt bedeuten?«
»Ganz einfach, meine Liebe. Drachen werfen nichts ohne Grund weg, aber wir reden hier über die intelligentesten, vorausdenkendsten, machiavellistischsten Schweinehunde auf dem Antlitz dieser Welt. Wer kann je sagen, warum sie tun, was sie tun? Vielleicht war der Crash nur Teil eines unglaublich komplexen Plans des alten Wurms. Eines Plans, dessen Früchte die Verluste wert waren.«
Alice mußte zugeben, daß an dem, was er sagte, etwas dran war, obwohl sie der Gedanke ärgerte, Roxborough könne unschuldig sein. »Ich werde deine Geschichte überprüfen. Ich hoffe um deinetwillen, daß du die Wahrheit gesagt hast.«
Roxborough nickte dem verschwindenden Tigerkatzen-Icon zu. Dann schob Alice diesen Abschnitt der Matrix weg von sich und überließ ihn wieder sich selbst, während sie darüber nachdachte, was Roxborough ihr erzählt hatte.
Ein leichter Nieselregen fiel, der die Straßen von Wunderland City glänzen und leuchten ließ und Alices Stimmung widerspiegelte. Dunkelgrauer Himmel, der von den Gebäuden reflektiert wurde.
Wenn Dunkelzahn diese Computer-Entität geschaffen hatte, die sowohl den Crash von '29 als auch den Tod von Alices fleischlichem Körper verursacht hatte, würde sie dafür sorgen, daß es alle Welt erfuhr. Diese Neuigkeit würde die Welt verändern, die den alten Drachen größtenteils geliebt hatte. Wenn es stimmte, würde Dunkelzahns Image und alles, was mit ihm verbunden war, großen Schaden erleiden.
Sie hoffte mit allem, was in ihr noch menschlich war, daß Roxborough log.
9
Ryan stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, nachdem Quentin Strapp Nadjas Arbeitszimmer verlassen hatte. Er haßte es, so im Rampenlicht zu stehen. Er wollte nicht, daß irgend jemand wußte, wo er sich aufhielt und was er vorhatte.
Nadja stand auf und wandte sich an Gordon Wu. »Ich bin für eine Weile indisponiert«, sagte sie zu ihrem Sekretär.
Gordon nickte, dann drehte er sich um und ging schweigend ins Büro nebenan.
Nadja sah Ryan an, und ein schelmisches Lä- cheln bildete sich auf ihrem bezaubernden Gesicht. »Komm mit«, sagte sie, wobei sie seine Hand nahm. Sie führte ihn ins Eßzimmer, dessen Marmorboden mit indonesischen Wollteppichen bedeckt und das sparsam mit Antiquitäten aus poliertem Rosenholz möbliert war.
Auf der großen Marmorplatte des Tisches war ein aufwendiges Essen vorbereitet. Als Nadja ihm bedeutete, Platz zu nehmen, bemerkte er plötzlich, daß er sehr hungrig war. Sie aßen ein paar Minuten lang schweigend, und Ryan genoß den vollen Geschmack seines echten Steaks.
Dabei erinnerte er sich an die Szene in Hells Canyon, als er unter dem Einfluß von Roxboroughs Persönlichkeit gestanden hatte und trunken von der Macht des gerade an sich gebrachten Drachenherzens gewesen war.
Nadja war in ihrem Jet gelandet. Sie war gekommen, um ihn davon zu überzeugen, das Drachenherz aufzugeben und Dunkelzahns Auftrag auszuführen. Er war geflohen und hatte versucht, den Hubschrauber zu erreichen, um nicht mit ihr reden zu müssen. Sich nicht rechtfertigen zu müssen.
Sie hatte sich mit ihren Wachen zwischen ihn und seine Fluchtmöglichkeit gestellt und ihm den Weg zum Hubschrauber versperrt.
Von Roxboroughs Persönlichkeit besessen, hatte er sie angeschrien, ihr Obszönitäten an den Kopf geworfen. Dabei war er mehr Roxborough gewesen als er selbst. Dessen böse Stimme war seit dem Erinnerungstransfer in Aztlan ein Teil von ihm geworden. Der dunkle Teil in ihm wollte das Drachenherz behalten und es selbst benutzen, anstatt es fortzugeben, wie Dunkelzahn es von ihm verlangt hatte.
Unter Roxboroughs Einfluß hatte er Nadjas Begleitschutz überrascht. Gedankenschnell war er an ihnen vorbeigehuscht, hatte sich Nadja geschnappt und ihr seine Pistole an den Kopf gehalten. Er hatte gedroht, sie umzubringen, falls sie ihn nicht gehen ließen.
Und dabei hatte sie ständig mit ihm geredet, ihn beruhigt. Auch die Bedrohung mit der Waffe hatte ihre Gelassenheit nicht erschüttern können.
Bis Ryan sich schließlich an sich selbst erinnert hatte, zusammengebrochen war und sie um Verzeihung gebeten hatte. Und sie hatte ihn gehalten und ihm Worte des Trostes und der Unterstützung zugeflüstert.
Jetzt schob er seinen leeren Teller
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