Der Dämon, die Zeitmaschine und die Auserwählten (Zehn Namen) (German Edition)
die Knie sinken. Er hatte keine Chance. Kurz danach schlief auch er. Sowie neben ihm die Katzen. Schließlich waren sie alle keine wirklichen Helden, auch wenn einer aussah wie Bruce Willis. Gute Nacht.
Später – wie viel später? – hörten die Schlafenden nicht, wie es aus Richtung Tür quietschte und ächzte. Nur die Katzen hörten es und reagieren prompt: T2 verschwand flugs unter der Bettdecke, während Kuka zum Angriff auf den unsichtbaren Feind überging. Da gerade kein anderer potentieller Gegner zu greifen war, schlug sie ihre scharfen Krallen tief in den Oberschenkel Bens, dem nicht einmal die verschlissene Jeans half, dem jähen Schmerz zu entgehen. Sofort war auch er wach, tat einen schrillen Schrei und schaute sich nach dem Übeltäter um.
„Bist du jetzt total übergeschnappt, Kuhkatze?“, schrie er die alte schwarzweiße Katze an, die zwar ihre Krallen wieder eingefahren hatte, aber ihr wildes Gefauche mit einem haarsträubenden Buckel garnierte. Ein kleiner tiefroter Fleck breitete sich währenddessen auf Bens Jeans aus.
„Wer? Wo? Was?“, stammelte Charly, den das Geschrei nun auch endlich geweckt hatte. „Muss ich schon in die Schule? Es ist doch Samstag!“
Die beiden anderen waren schnurstracks aus dem Bett gesprungen. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. Nicht nur, dass die Kuhkatze sich wie irre gebärdete – jetzt endlich vernahmen auch die Menschen und der Taure die seltsamen Geräusche, die aus der Wand zu kommen schienen. Die Wand mit der Tür. Es quietschte, schrammte und ächzte jetzt ohrenbetäubend laut.
„Glaubst du, das ist wieder der schwachsinnige Zahnarzt, der sich durch die Wand bohren will?“, fragte Nessy den vermeintlich wachhabenden Ben.
„Kaum“, antwortete der. „So was würde nicht mal der fertig kriegen. Und der ist schon mehr als nur ein bisschen verrückt.“
„Ja. Fast so wie mein Onkel Frank, der es am Heiligabend 1979 vorgezogen hat, in eine Jauchegrube zu springen, der dumme Kerl.“, warf Charly immer noch schlaftrunken ein.
Jäh wurden Charlys Familiengeschichten unterbrochen, als sie den Grund für die quälenden Geräusche in oder hinter der Wand erkannten: Das Zimmer war kleiner geworden, oder? Lagen nicht vorhin noch einige Meter zwischen dem Nachttisch und der Tür? Jetzt waren es bestenfalls noch zwei oder drei Schritte; Tendenz abnehmend. Die Wand rückte unter laut kreischenden Geräuschen näher und näher an das schicke Himmelbett heran.
„Verdammt!“, schrie Ben, um das zum Getöse werdende Geräusch zu übertönen. „Ich glaube, die wollen uns zerquetschen. Was sollen wir bloß tun?“
Und er hatte wohl Recht, denn nach und nach rutschte die Wand zu ihrer Linken über den Boden, von einem geheimnisvollen und sehr lauten Mechanismus angetrieben. Stück für Stück näherte sich ihnen die Streifentapete, und schon begrub die Wand den Nachttisch samt Lampe unter sich. Holz splitterte, eine Glühbirne explodierte. Nun endlich erwachten die Bewohner des seltsamen Zimmers aus ihrer Starre und reagierten. Die Auserwählten und ihnen voran die Katzen hasteten von dem Himmelbett fort und suchten stattdessen Schutz an der gegenüberliegenden Wand. Aber da ging es nicht weiter. Ende der Fahnenstange. Dass endlich das lang ersehnte Sonnenlicht durch die vergitterten Kellerfenster schien, bekamen die Vier gar nicht mit. Und es hätte sie im Augenblick auch kaum interessiert.
„Scheiße, Scheiße, Scheiße!“, übertönte Charlys schrilles Fluchen das Ächzen des Mechanismus'. Doch der schlimmste Fluch vermochte die Wand des Grauens nicht zu stoppen. Nach dem Tisch war das Bett dran. Genauso wie der Sessel und des Zöllners Schreibtisch wurde es über den Boden des Zimmers unaufhaltsam der anderen Wand entgegengeschoben. Ein Nachttopf aus Porzellan brach in tausend Stücke, Bilder wurden von den Tapeten gerissen und zermalmt. Schließlich war das große Bett am anderen Ende des Zimmers angelangt. Die Vier mussten erneut ausweichen und kauerten nun neben dem ebenfalls gefährdeten Kleiderschrank.
„Vielleicht kann das Bett die Wand stoppen“, hoffte Ben. „Wenn es nur stabil genug ist.“
War es nicht. Baldachin und Bettgerüst wurden erst verbogen, knirschten und zerbarsten am Ende doch. Stofffetzen, Holzsplitter und Sprungfedern schossen durch den Raum. Einiges davon prasselte auf die Hüterkandidaten hinab, die nichts tun konnten, außer die Arme ebenso schützend wie sinnlos über ihre Köpfe zu erheben.
Weitere Kostenlose Bücher