Der Dämon, die Zeitmaschine und die Auserwählten (Zehn Namen) (German Edition)
Hoffentlich behielt Ben mit seiner vagen Vermutung Recht, dass alle Munition verschossen war. Die Löcher in der Taxi-Karosserie sprachen zumindest dafür. Ohne Rücksicht auf Leib und Leben schwang sich Ben mit gezwungener Lässigkeit aus dem Wagen und stieg erst auf die Haube, schließlich auf das Dach des ramponierten Autos. Was würde wohl Entony dazu sagen? Die Fiederlinge und vor allem die Haarlinge schauten den Menschen entgeistert an. Zwar hatten einige der Haarlinge schon das ein oder andere Menschenwesen in Macabra gesehen, aber hier und jetzt – noch dazu mit solch einer dreisten Vorstellung – damit hätte niemand gerechnet. Und auch die Fiederlinge waren rechtschaffen verdutzt. Die wenigsten hatten bisher von den seltsamen Gästen Dr. Uhls gehört. Und scheinbar war den Schützen auf Seiten der Fellträger inzwischen tatsächlich die Munition ausgegangen, oder sie waren einfach zu perplex um zu schießen. Wie auch immer, kein einziger Schuss fiel. Inzwischen waren auch die Anführer beider Seiten mit ihren Autos am Schauplatz eingetroffen und wollten sehen, was dieses Theater sollte. Als sich Ben der allgemeinen Aufmerksamkeit sicher wähnte, begann er lautstark zu allen Beteiligten zu sprechen. Nessy schwante Böses.
„Haarlinge! Fiederlinge! Bevor ihr mich in Stücke reißt, hört mich bitte an. Ich bin neutral. Stehe weder auf der einen oder anderen Seite. Das einzige, was ich will, ist für den Frieden und das längst überfällige Ende des Tötens zu plädieren.“
„Frieden mit diesen Scheusalen? Niemals im Leben!“, erfolgte ein Zwischenruf unbekannter Herkunft.
„Wollt ihr etwa wegen eines längst gegessenen Maiskolbens eure Völker ausrotten? Euren Kindern die Väter, die Wohnung und die Zukunft rauben? Ist es ein Maiskolben wert, dass ihr euch gegenseitig umbringt? Schaut doch mal in eure Reihen. Seid ihr denn blind, dass niemand von euch auffällt, das Vermischungen beider Völker unter euch sind? Fiederlinge in Fell und Haarlinge in Federn. Oder ignoriert ihr das einfach, weil es nicht in euer Feindbild passt? Sie sind doch lebendige Zeugen der Tatsache, dass irgendwann mal Freundschaft und Liebe zwischen den Städten existiert haben müssen. Dass vor vielleicht hundert Jahren sogar gemischte Familien da waren. Und das alles und noch viel mehr habt ihr kaputt gemacht, weil ein paar verrückte Könige, die längst tot und begraben sind, sich wegen einer Kleinigkeit in die Haare, beziehungsweise Federn geraten sind. Aber haben die beiden ihre Kinder in den Schlachten verloren oder ihr Haus? Nein, das habt nur ihr. Ihr schlagt euch die Schädel ein für nichts und wieder nichts. Ich bitte euch, vergesst den Maiskolben und alles was daraus wurde und vertragt euch endlich wieder. Vielleicht ist heute eure letzte Chance dazu. Schaut euch eure Gegner an. Schaut ihnen in ihre Herzen. Ihr wart Freunde und könnt es wieder sein. BITTE SCHLIESST FRIEDEN. Oder tötet mich ...“
Der Motorenlärm der sich nähernden Flugzeuge beendete Bens Rede. Aber nicht die Gedankengänge der Zuhörer. Alle schauten betroffen drein. Sahen auf die Verletzten. Auf die Toten. Blickten ihren Gegnern ins Gesicht. Und in ihre Herzen, so wie es der Fremde gesagt hatte. Hatten ihre Großeltern ihnen nicht von einer Zeit erzählt, in der beide Völker befreundet waren? Wo es noch so etwas wie eine gemeinsame Stadt gab? Ja. Sie alle hatten die Geschichten schon einmal gehört. Aber niemand wollte richtig zuhören. Sie hingen lieber an den Lippen derer, die das Kriegsfeuer schürten, weil sie Vorteile davon erhofften. Längst war der Grund des Krieges vergessen und auch der Glaube an den Frieden. Bis heute. An dem Tag, als ein Wildfremder ihnen die Wahrheit aufzeigte. Doch die Kampfflugzeuge der Haarlinge hatten den Ort des Geschehens erreicht. Die Visiere der Waffen waren auf diese sonderbare Kreatur eingestellt, die auf dem Dach eines weithin sichtbaren gelben Autos stand und sorgenvoll gen Himmel schaute. Der Anführer der Haarlinge überlegte kurz, gab dann den Piloten über Bordfunk den Befehl. Ben erwartete, jetzt von den Maschinengewehren der Haarlinge zerrissen zu werden und schloss die Augen. Aber nichts passierte. Die Flugzeuge drehten ab und verschwanden kurze Zeit später am Horizont. Zwar hatte Fellini ihnen einen Befehl gegeben. Aber es war der Befehl gewesen, abzudrehen. Der Krieg war vorbei.
„Der Mensch hat Recht!“, rief Fellini.
„Fellini hat recht, dass der Mensch recht hat!“, rief auf
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