Der Dämon, die Zeitmaschine und die Auserwählten (Zehn Namen) (German Edition)
müssen.
„Wir haben uns erst gestern kennengelernt. Eigentlich wollte ich sowieso alleine reisen.“
Bei diesen Worten warf er dem Mädchen einen ziemlich finsteren Blick zu. Lisa schaute derweil auf ihre nackten Füße hinunter.
„Dann verzeih bitte meine voreilige Unterstellung“, erwiderte der alte Man und lächelte. „Bleibt jedoch immer noch die durchaus interessante Frage unbeantwortet, von woher du eigentlich kommst und wohin du wohl reisen wolltest. Alleine selbstverständlich.“
„Naja, ich komme aus Grabenbroich. Gestartet bin ich auf einem Hügel hinter unserem Haus. Nachdem, was ich bislang hier gesehen habe, bin ich zwar noch immer auf einem Hügel, aber ganz sicher anderswo als zuvor. Eigentlich wollte ich wie der Held aus dem Roman Die Zeitmaschine in die Zukunft reisen. Sie wissen nicht zufällig, welches Jahr wir derzeit haben?“
„Gewiss, das weiß ich: 2010 heißt das Jahr. Um genau zu sein, haben wir heute Samstag, den achten August des Jahres 2010. Aus welchem Jahr kommst du denn, wenn ich so neugierig sein darf? Mir ist, als hätte ich vorhin von dir eine ähnliche Jahreszahl vernommen.“
„Mist! Genau aus demselben Jahr komm ich, und der Tag ist auch der gleiche. Bin ich etwa immer noch in Grabenbroich? Die Gegend hier kommt mir allerdings nicht unbedingt bekannt vor, auch wenn ich noch nicht viel davon gesehen habe.“
„Grabenbroich?“, hakte der alte Mann nach. „Von diesem Ort habe ich noch nie etwas gehört. Du befindest dich augenblicklich auf einem Hügel nordwestlich des Zentrums. Wenn ich aus dem, was mir Lisa erzählt hat und deinen Fragen nach Ort und Zeit die richtigen Schlüsse ziehe, kann ich mir allerdings einiges zusammenreimen. Demnach hast du zwar nicht die Zeit gewechselt, doch immerhin die Dimension, und das ist ja auch schon was. Willkommen im Nichts, würde ich daher sagen.“
„Nichts? Was soll das denn sein? Ich dachte ich könnte hier ein paar Morlocks jagen.“
„Du bist in meiner Welt“, mischte sich Lisa in die Unterhaltung ein. „Weit weg von meiner Siedlung, aber tatsächlich in meiner Welt. Das mit der Abkürzung hat geklappt, denke ich.“
„Fang nicht schon wieder mit dem Unsinn an“, motzte Charly uns stand auf. Ein wenig wacklig war er noch auf den Beinen, aber ansonsten schien alles heil geblieben zu sein.
„Lisa spricht die Wahrheit“, sagte der Mann mit den buschigen Augenbrauen. „Der Blitzschlag hat – auf welche Weise auch immer – dein sonderbares Gefährt in Lisas und meine Welt transportiert. Ich kenne Lisas Siedlung, sie liegt viele Wochen entfernt von hier, doch war ich schon das ein oder andere Mal in der dortigen Gegend. Daher kann ich ihre Behauptungen guten Gewissens bestätigen. Zudem ist Lisas Erscheinen hier vorausgesagt worden, denn sie ist eine der Auserwählten. Nur dich kann ich noch nicht so recht einordnen, Junge aus der Nebenwelt. Dein Name ist Charly, hat mir das Mädchen verraten?“
„Stimmt. Und wenn das hier nicht die Zukunft ist, will ich wieder zurück in meine Welt.“
„Das ist nicht so einfach, fürchte ich, denn niemand weiß, wie du es überhaupt geschafft hast, hier Schiffbruch zu erleiden. Womöglich musst du auf einem anderen Weg zurückgelangen.“
„Also gibt es einen anderen Weg?“
„Aber ja, den gibt es immer. Aber gestatte mir eine Frage, bevor ich dich auf den Heimweg schicken kann. Ist Charly dein voller Name?“
„Nein, ist er nicht“, maulte Charly. „Meine Eltern haben mir den bescheuerten Namen Karl-Heinz Schupp gegeben, ohne dass ich dagegen etwas hätte tun können. Dumm gelaufen, oder?“
„Das sehe ich ganz anders“, antwortete der alte Mann und strahlte zufrieden. „Beinahe hätte ich mir schon gedacht, dass dein voller Name genau so lautet. Denn demnach bist du unser fehlender zehnter Mann. Der letzte der Auserwählten auf unserer Liste.“
„Ich versteh nur Bahnhof“, meinte Charly.
„Du wirst verstehen, mein Freund. Doch verzeih mir, dass ich zwar nun deinen Namen kenne, aber ich es versäumt habe, dir den meinigen zu nennen: Ich bin Meister Athrawon. Der stellvertretende Leiter dieses beschaulichen kleinen Zeltlagers. Und lass dir sagen, du bist hier mehr als willkommen, denn nun können wir endlich mit dem Auswahlverfahren beginnen. Komm mit hinaus, und ich werde dir alles, was du wissen musst, genauso wie den anderen neun Bewerbern erklären. Wenn du danach immer noch heim willst, werde ich für deine sichere Rückkehr Sorge tragen.
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