Der Dämonen-Gnom
sah den Abbé noch in derselben Haltung auf seinem Stuhl sitzen, die Hände um den Würfel geschlungen, das Gesicht unbewegt, aber sehr konzentriert und den Mund leicht geöffnet.
Mein fragender Blick traf Suko, der nur die Schultern hob und auf den freien Stuhl deutete. Demnach wußte auch er nicht viel oder wollte nichts sagen.
Ich nahm Platz.
Es war still, und wir hörten nur das Atmen des Abbés. Er hatte durch ein kurzes Aufblicken mein Kommen registriert und sprach mich nun direkt an.
»Es ist nicht so, daß es mir schlecht geht. Nicht wie bei dem grausamen schwarzen Blut, als der Würfel beinahe zu meinem Feind geworden wäre und mich nur der Knochensessel rettete. Es ist einfach anders, ganz anders, viel weniger direkt – ja…«
Als seine Stimme versickert war und auch keine Chance bestand, daß er schnell weitersprach, wandte ich mich an Suko. »Was hat er genau damit gemeint?«
»Ich weiß es noch nicht, John. Es ist einfach zu plötzlich gekommen. Ich merkte, daß er sich veränderte, und ich habe dir zugewinkt. Das ist eigentlich alles.«
»Kontakt?«
Suko deutete auf den Würfel. »Wahrscheinlich!«
Die Geste hatte ich verstanden und schaute ebenfalls hin. Zwischen den Händen des Abbés befand sich der Würfel. Ein dunkler Gegenstand, der von den blassen Fingern umfaßt wurde, und deshalb noch düsterer wirkte als sonst.
Aber er hatte reagiert, denn in seinem Innern erkannte ich die Bewegungen.
Die Schlieren waren nun zu erkennen. Sie hatten sich magisch aufgeladen, sie zuckten vor und zurück, hatten aber noch nicht diese Intensität bekommen, die ich mir gewünscht hätte. Ich wußte allerdings genau, was nun passierte, denn sie als magische Datenübermittler nahmen nun den Kontakt mit der am Tisch sitzenden Person auf.
Sie würden ihn mit Informationen füttern, und ich hoffte, daß sie weitergegeben wurden. Wir warteten.
Der Abbé veränderte sich. Seine Konzentration nahm an Intensität zu.
Geistig strengte er sich unwahrscheinlich an. Er schaute zwar auf den Würfel, doch seine Gedanken bewegten sich in ganz andere Richtungen, denn er murmelte: »Der Kontakt ist hergestellt. Es ist etwas geschehen. Etwas Böses steigt aus den Tiefen hervor.«
»Siehst du es?« erkundigte ich mich flüsternd.
»Nein, nein… ich sehe nichts. Ich… ich kann es nur spüren, hört ihr? Nur spüren…«
»Und weiter?«
»Nichts weiter. Es nähert sich, es kommt auf mich zu. Es will mich umschlingen. Aber es ist nicht so schlimm. Der Würfel saugt es auf, die Schlieren sind so stark. Magische Gene, die nicht wollen, daß das Böse gewinnt. Sie stellen sich dagegen, ich bin auf ihrer Seite. Ich freue mich, daß es ihnen nicht gelingt.«
»Wer?« fragte Suko.
Der Abbé blieb für einen langen Moment starr sitzen. Er sah so aus, als wollte er überlegen und nach Worten suchen, um die Bilder zu beschreiben, die nur er sah. »Es ist der Gnom, der gefährliche Gnom, der Mörder mit den Messern. Er hat für die Toten gesorgt, aber die Toten haben ihn nicht in Ruhe gelassen. Sie waren immer gegenwärtig, und sie werden es auch jetzt sein.«
»Zombies?« hauchte ich.
»Geister. Starke Geister…«
»Templer?«
»Sie hatten mit uns zu tun. Damals, sehr lange zurück…« Der Abbé redete mehr in Fragmenten. »Eine schlimme Vergangenheit, aber auch ein kaltes Totenreich, aus dem sie gekommen sind. Sie bewachen ihn, sie stehen an seiner Seite, sie werden immer bei ihm sein, und sie wollen Blut sehen. Blut und Leichen…« Bloch stöhnte auf. In seinen Augen schimmerte es venäterisch, als könnte er dem ungeheuren Druck nicht mehr standhalten, der über ihn gekommen war.
Mein Blick war auf den Würfel gerichtet. Seine Farbe war nicht mehr so intensiv rot wie sonst. Er war heller geworden, und ich sah auch die blassen Schlieren, die mit ihren hinteren Enden peitschten und sich auf diese Art durch den Würfel bewegten. Nur so waren sie in der Lage, ihre Informationen an den Besitzer weiterzugeben, und der Abbé saugte sie auf wie der trockene Schwamm das Wasser.
»Campeto«, flüsterte er. »Dort müßt ihr hin. Ja, es hat sich bestätigt, ihr müßt morgen früh fahren, ihr müßt die Menschen retten, die in Gefahr schweben. Bald ist seine Zeit gekommen, die Rache der Vergangenheit wird die Zuschauer treffen. Sucht den Dämonen-Gnom, sucht den kleinen, bösen Mann. Sucht ihn und findet ihn, dann werdet ihr auch zu seinen Leibwächtern gelangen, zu den grausamen Vier.« Bloch wollte noch etwas sagen,
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