Der Daleth-Effekt
richtete einen großen Scheinwerfer auf die Stelle, die schon von einem der Streifenwagen angeleuchtet wurde, und ließ die Szene taghell hervortreten. Geduckt rannte Skou weiter, allein.
Ein Mann, von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet, richtete sich auf, legte schützend die Hand vor die Augen und hob eine langläufige Pistole. Er feuerte einmal, zweimal; ein Geschoß knallte neben Skou auf eine Stahlplatte und prallte ab, die zweite Kugel streifte seinen Mantel. Skou blieb stehen, hob seinerseits die Pistole und senkte sie langsam ins Ziel. Der Eindringling feuerte ein drittes Mal, und Skous Waffe bellte fast im gleichen Augenblick auf, nur ein einziges Mal.
Der Mann fuhr zusammen, wirbelte herum und stürzte auf die Stahlplatten; seine Waffe polterte zu Boden. Skou bedeutete zwei Polizisten, den Mann zu untersuchen, und humpelte weiter, ohne sich um die hingestreckte Gestalt zu kümmern. Eine Kette von Wächtern und Polizisten schloß sich hinter ihm; ein Patrouillenboot kam mit tuckerndem Motor näher an die Küste und ließ seinen Scheinwerfer in die Schatten der Hellingen dringen.
»Da sind sie!« rief jemand, als der Lichtstrahl plötzlich zum Stillstand kam. Skou blieb stehen und signalisierte den anderen, sich ebenfalls nicht mehr zu rühren.
Die vernieteten Kielplatten waren die Bühne, die gebogenen Schiffsrippen das Proszenium, und das Bild war ausgeleuchtet. Ein Mann, ganz in einen schimmernden schwarzen Anzug gekleidet, duckte sich hinter Arnie Kleins reglose Gestalt. Er hielt sein Opfer mit einem Arm umfaßt und benutzte es als Schild, indem er es an sich preßte. In der anderen Hand hatte er einen Revolver, dessen Mündung er auf Arnies Kopf gerichtet hielt. Die Sirenen erstarben, und Stille senkte sich plötzlich über die Szene herab. Man hörte die laute, heisere Stimme des Mannes.
»Bleibt weg – ich töte!«
Er sprach englisch mit kehligem Akzent, aber alle verstanden ihn. Keiner der Zuschauer rührte sich, als er jetzt Arnie an der Helling entlang zum Wasser schleppte. In diesem Augenblick trat Nils Hansen aus der Dunkelheit hinter ihm, packte wie ein Schraubstock die Hand des Mannes und zog sie mit der Waffe hoch, so daß sie nicht mehr auf Arnies Kopf zielte. Der Schwarzgekleidete schrie auf, die Pistole krachte, und der Schuß ging in die Luft.
Mit seiner freien Hand befreite Nils Arnie aus dem Griff des anderen und ließ ihn vorsichtig auf eine Stahlplatte gleiten. Sein Gefangener wehrte sich unterdessen vergeblich gegen seinen Griff und begann schließlich Nils mit der Faust zu bearbeiten. Nils schien die Schläge überhaupt nicht zu spüren, bis er sich wieder aufrichtete; dann jedoch entriß er dem anderen die Waffe, schleuderte sie zur Seite, schlug blitzschnell mit der offenen Hand zu und gab ihm eine fürchterliche Ohrfeige. Der Mann wurde durch die Wucht des Schlags umgerissen und hing reglos in Nils hartem Griff.
»Ich will mit ihm reden!« rief Skou und rannte los.
Nils hielt den Mann mit beiden Händen gepackt. Der Fremde war in einen schwarzen Gummianzug gekleidet, eine Tauchermontur, und nur sein Kopf war frei. Seine Haut war fahl, und er hatte einen dünnen Schnurrbart, der wie aufgemalt wirkte. Auf einer Wange war deutlich der rote Abdruck einer großen Hand zu sehen.
Einen Augenblick lang versuchte sich der Mann dem Griff zu entwinden, als er sah, daß die Polizisten näher kamen. Dann hielt er inne. Wahrscheinlich wurde ihm bewußt, daß es kein Entkommen mehr gab. Er wehrte sich nicht mehr, sondern hob die Hand zum Mund.
»Halt, passen Sie auf!« brüllte Skou und stürzte auf sie zu. Aber es war zu spät.
Ein Ausdruck des Entsetzens und des Schmerzes trat auf das Gesicht des Mannes. Seine Augen weiteten sich, und er öffnete den Mund zu einem lautlosen Schrei. Er wand sich in Nils Händen, dann sackte er zusammen und sank leblos zu Boden.
»Lassen Sie ihn los«, sagte Skou und hob ein Lid des Mannes. »Er ist tot. Vergifteter Fingernagel.«
»Der andere auch«, sagte ein Polizist. »Sie haben ihn in den …«
»Ich weiß, wo ich ihn getroffen habe.«
Nils beugte sich über Arnie, der zwar noch immer die Augen geschlossen hatte, aber den Kopf hin und her bewegte. Hinter seinem Ohr war eine rote Stelle zu sehen, die stark angeschwollen war.
»Es scheint ihm nichts weiter passiert zu sein«, sagte Nils, und dabei fiel sein Blick auf Skous Hosenbein. Es war mit Blut getränkt, und Blut tropfte auf seine Schuhe. »Menschenskind, Sie sind ja verletzt!«
»Es
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