Der Datendieb - Wie Heinrich Kieber den größten Steuerskandal aller Zeiten auslöste (German Edition)
sprechen«, so
Helmut R. »Wir haben Heinrich erst um 18 Uhr wiedergesehen. Als wir ihn sahen,
war er sehr nervös und aufgeregt.« [58]
Heinrich
Kieber schreibt noch am selben Abend – drei Tage nach seinem
32. Geburtstag – einen Brief an den Filialleiter der Bawag -Bank
in Feldkirch, in dem er ihn höflichst bittet,
»dringendst folgende Überweisung ab meinem Sparbuch bei Ihnen zu tätigen. Bitte
lösen Sie alles auf.« Sowie er den Brief unterschrieben hat, packt ihn die
Wehmut: »Auf dem Brief waren auch die genauen Angaben des Kontos und des
Losungswortes darauf«: Teklanika , der Fluss in
Alaska, an dem Kieber eine fantastische Zeit mit seiner tschechischen Freundin
verbracht hatte. »Und ich war nun in dem Raum und musste Teklanika schreiben und nachher meinen eigenen Tod bestimmen.« [59]
Die
Faxmitteilung wird jedoch nicht abgeschickt. »Als wir alle schliefen, schlug
Herr Kieber das Fenster des Zimmers ein, in dem wir ihn festhielten«, erinnert
sich Mariano M., »und versuchte, mit einer der Scherben einen Selbstmord
vorzutäuschen, indem er sich Schnittwunden an beiden Handgelenken und am Hals
beibrachte. Sie waren, wie wir alsbald feststellten, nicht allzu tief. Das Blut
und der nachgerade danteske Anblick erschreckten uns aber doch gehörig.«
Kieber: »Ich
lag da, vielleicht fünfzehn bis zwanzig Minuten, und wartete auf den Tod, der
kam nicht, aber dafür kamen die Wächter. Jetzt hatten sie natürlich ein
Problem. Sie hatten einen halbtoten Gefangenen und kein Geld.« [60]
Kiebers
Verletzungen werden vor Ort behandelt. »Ich glaube, von einem Knecht namens
Cäsar«, so Helmut R. [61] »Mich
wundert«, berichtet Kieber, »mich wundert, dass ich nicht an einer Entzündung
gestorben bin, denn dem Knecht seine Hände sahen schwärzer und dreckiger als
die eines Kaminfegers aus.« [62]
Als Helmut
R. und seine Frau den verletzten und notdürftig bandagierten Kieber wieder in
seinem Verlies besuchen, kommen dem die Tränen. »Ich flehte sie an, mich nicht
alleine zu lassen und hier wie ein[en] Hund verrecken zu lassen. Sie schworen
es mir.« [63]
Helmut R.:
»Kieber hat gesagt, er habe so viel Böses getan. Er habe nicht mehr leben
wollen. Der böse Heinrich sei jetzt tot, sagte er, er sei weg, und nur noch der
gute Heinrich sei da. Er wolle alles gutmachen. Er war dann wie ausgewechselt.«
»Wir pflegten ihn«, ergänzt Mariano M., »und empfanden nun sogar Mitleid mit
ihm.«
Mariano M.s
Angestellte befreien den blutverschmierten und bandagierten Kieber von seiner
Fußfessel, entlassen ihn aus seinem Verlies und verlegen ihn in eines der
vielen Gästezimmer im Haupthaus, auf dass er rascher genese.
Am
darauffolgenden Tag, am 3. April, wird ein neues Fax für die Bawag -Bank vorbereitet, diesmal mit detaillierteren
Angaben: 406.000 Schweizer Franken sollen auf Helmut R.s Konto überwiesen
werden mit der Angabe: »Verwendungszweck: Zahlung à cto Wohnung C / Roca i Batlle 28, Barcelona«. Weitere 393.000 Franken sollen von Heinrich Kiebers Konto
zugunsten einer Firma von Mariano M. überwiesen werden – »als Kommission«, sagt
dieser, »für die von mir geleisteten Dienste«.
»Also
erhielt Mariano nicht nur dieselbe Summe wie Helmut, sondern auch obendrein
250.000 Franken geschenkt«, rechnet Heinrich Kieber vor, »da er mir mein
Darlehen von 1993 nicht mehr zurückzahlen ›musste‹. Dadurch sahen Helmut und
seine Frau ein Ungleichgewicht in der Verteilung der Fangprämie und wollten
vermutlich mehr. Helmut wurde also aus meinem Zimmer rausgedrückt, und eine
halbe Stunde später kam der Sohn von Mariano herein und sagte zu mir:
›Heinrich, schau, es hat Krach gegeben.‹ Er sagte wahrhaftig, dass Mariano ein
so sturer Mensch sei, ein Manipulant, dass er angeblich kurz davor war, Helmut,
den Deutschen, mit seiner Frau, auch in den Turm einzusperren, damit er mit mir
einen Deal eingeht. Ich habe gefleht: ›Bitte, bitte, werdet einig, sonst gibt
es am Schluss noch mehr Blut.‹«
Helmut R.
schickt den am Vortag vorbereiteten Überweisungsauftrag am Freitag, den
4. April, um fünf Uhr in der Früh Ortszeit an die Bawag -Bank,
»weil wir uns ausgerechnet haben, dass wegen der Zeitverschiebung das Fax am
Vormittag in Feldkirch einlangen wird«. Eine Stunde später, in Feldkirch ist
bereits Mittagszeit, ruft Heinrich Kieber bei der Bawag -Bank
an und lässt sich mit Filialleiter Wilhelm Bröll verbinden: »Das Telefonat mit Herrn Kieber erfolgte in einer Art und Weise, die
sich in keiner
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