Der Datendieb - Wie Heinrich Kieber den größten Steuerskandal aller Zeiten auslöste (German Edition)
Form von anderen Kundentelefonaten unterscheidet«, erinnert sich
dieser. »Ich konnte auch keinen besonderen Erregungszustand erkennen. Herr
Kieber hat mich aufgefordert, die Transaktion gemäß dem Schreiben
durchzuführen. Ich erklärte ihm, dass eine Überweisung von einem Sparbuch nicht
möglich sei.«
Denn jede
Auszahlung erfordert zwingend die Vorlage des Sparbuchs und die Nennung des
Kennworts. [64] Doch Heinrich Kieber sitzt fernab in
Argentinien auf einer Farm fest. Und das Sparbuch steckt daheim in Vaduz in
einer gelben Regenjacke.
Was tun?
Einige
Stunden vergehen. In Vaduz neigt sich der 4. April für Manfred Greiner
bereits dem Ende zu: »Heinrich Kieber hat dann zwischen 23 und 24 Uhr bei mir
angerufen. Er hat mir erklärt, dass er das Sparbuch benötige, und mich in das
Gästezimmer geschickt, wo er vor Weihnachten seine Sachen bei mir abgestellt
hat. Bei seinem Anruf habe ich nichts Außergewöhnliches bemerkt. Heinrich
Kieber kenne ich schon seit Jahren, und ich kann sagen, dass er eigentlich
immer nervös ist.« [65] Sozialarbeiter Greiner kann es sich
nicht verkneifen hineinzugucken, nachdem er das Sparbuch in der besagten Jacke
Kiebers gefunden hat: »Es handelte sich um eine Summe von zirka 800.000
Schweizer Franken! Ich habe mir gedacht: Wie ist er an die Summe gekommen?« [66]
Heinrich
Kieber instruiert seinen ehemaligen Betreuer Manfred Greiner in einem weiteren
Telefonat am Sonntag, dass ein Mann namens Paul Krümmel *
am Montag, den 7. April, gegen 13 Uhr das Sparbuch abholen werde. Krümmel ist der Schwager von Helmut R. und wohnt nur zwei
Autostunden entfernt von Vaduz in Ochsenhausen in der Nähe von Memmingen:
»Helmut fragte mich, ob ich die Sache im Einverständnis mit Kieber übernehme.
Ich habe dann selbst mit Kieber am Telefon gesprochen. Er sprach ganz
persönlich und fragte, ob er mich Paul nennen dürfe.«
Damit
Greiner keinen Verdacht schöpft, solle Krümmel sagen,
dass er das Sparbuch abhole, um es seinem Sohn zu übergeben, der in wenigen
Tagen nach Argentinien fliege. Dort werde es Kieber in Empfang nehmen. »Ich
fuhr mit dem Sparbuch auf die Bank nach Feldkirch«, erzählt Krümmel .
»Heinrich Kieber hatte mir auch das Codewort durchgegeben. Um halb zwei oder
dreiviertel zwei bin ich zur Bank gegangen. Dort bin ich zur Sekretärin und
habe mich vorgestellt. Sie hat gleich Bescheid gewusst und mich in den ersten
Stock zu Direktor Bröll hinaufgeschickt.« [67]
Der
Filialleiter der Bank schildert es so: »Am Montag sprach dann ein Herr Doktor Krümmel Ernst August Paul bei uns vor, und zwar am frühen
Nachmittag. Er erfüllte alle Voraussetzungen für die Auszahlung der
Sparurkunde, das heißt, er verfügte über das Sparbuch und dokumentierte auf der
Auszahlung auf Anhieb das richtige Losungswort.« [68]
Damit kann Krümmel über das Guthaben von über sechs Millionen
Schilling verfügen. Überweisen kann er es allerdings nicht. Um die beiden
Überweisungen in Höhe von je rund 400.000 Franken zugunsten von Mariano M. und
Helmut R. veranlassen zu können, muss er erst ein Devisenausländerkonto bei der Bawag -Bank eröffnen. Das zieht sich hin. »Herr Krümmel machte während der doch längeren Gesprächsführung«,
sagt Direktor Bröll , »einen seriösen Eindruck, und es
schien mir keinerlei Anlass, ihm irgendwie mit Argwohn zu begegnen. Er ersuchte
mich, ob er Kopien der Überweisungsaufträge über unser Fax nach Spanien
schicken könne, was ich im Hinblick auf die internen Sicherheitsbestimmungen
ablehnte. Er ist mit diesen Schriftstücken offensichtlich zur nahe gelegenen
Post gegangen.« [69]
»Die
Überweisungsbelege benötigten wir für Mariano M., der ein sehr misstrauischer
Mensch ist«, so Helmut R. »Es hat ihm schon nicht gefallen, dass mein Schwager
die Überweisungen vornimmt.« [70] Doch die Übermittlung gestaltet sich
schwierig. »Das Durchgeben der Faxe hat nicht funktioniert«, so Krümmel . »Ich habe auch mit meinem Schwager telefoniert.
Ich habe auch bei der Post die Vorwahlen für die einzelnen Bezirke in
Argentinien herausgesucht. Dann hat mein Schwager mir gesagt, ich solle das Fax
in die nächstgrößere Ortschaft schicken. Ich wusste auch nicht, wo dieser Ort
genau liegt. Auf jeden Fall war es dann etwa 16 Uhr, als ich bei der Post
fertig war.« [71]
Auf der
Estanzia El Paraíso warten Heinrich Kieber,
Mariano M. und Helmut R. gespannt auf die Vollzugsmeldung aus Feldkirch. Dann
kommt Helmut R. zu Heinrich Kieber ins Zimmer und sagt,
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