Der Datendieb - Wie Heinrich Kieber den größten Steuerskandal aller Zeiten auslöste (German Edition)
Und
schließlich meldet sich noch der Eigentümer der geschädigten Finanzgruppe,
Hans-Adam von Liechtenstein, persönlich zu Wort. In seinem Schreiben an Kieber
– das dem Gericht vorgelegt wird – hegt er »die begründete Hoffnung«, dass
dessen wohlfeiles Verhalten in der »Berufung entsprechend gewürdigt wird«.
Egal, wohin
man im Gerichtssaal blickt: Überall sitzt Hans-Adam von Liechtenstein mit am
Tisch.
In welcher
Funktion war Hans-Adam während der Bewältigung der Krise tätig? Handelte er als
Banker oder als Staatsoberhaupt? Hans-Adam von Liechtenstein war sich der
delikaten Situation von Beginn der Affäre Kieber an bewusst und thematisierte
dies selbst bei einem Treffen mit dem Krisenstab. Vor diesem stellte er klar,
dass er sich als Staatsoberhaupt nicht von Kieber erpressen und ihm keine
staatliche Sonderbehandlung zukommen lassen werde.
Und als
oberster Banker? Es ist grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden, wenn sich der
Eigentümer der LGT-Gruppe auf Verhandlungen mit einem Erpresser einlässt.
Tagtäglich verhandeln auf der ganzen Welt Unternehmen mit Mitarbeitern, die
sich unkorrekt oder auch ungesetzlich verhielten, um diese Fälle möglichst
geräuschlos aus der Welt zu schaffen. Ist der Besitzer der erpressten
Unternehmensgruppe zugleich mächtiges Staatsoberhaupt, wird die Sache
allerdings heikel. Insbesondere dann, wenn ein Erpresser den Banker Hans-Adam
um geheime Daten erleichtert, von ihm aber fordert, in seiner Funktion als
Staatsoberhaupt für ihn aktiv zu werden.
Spätestens
nach dem – aus der Sicht Kiebers und des Fürsten – missglückten Urteil der
ersten Instanz werden alle Vorsätze, zwischen Banker und Staatsoberhaupt zu
unterscheiden, über Bord geworfen. Auch wenn die gewählte Vorgehensweise wenig
subtil ist, eine plumpe Instruktion, wie sich das Gericht zu verhalten habe,
drängt sich nicht auf. Sie ist auch gar nicht nötig. Die offensive
Machtausübung des Fürsten in den vergangenen Jahren hat aus vielen von ihm
tatsächlich oder vermeintlich abhängigen Untertanen Duckmäuser gemacht.
Geflissentlich üben sie sich in vorauseilendem Gehorsam.
Mit
juristischen Spitzfindigkeiten hält sich Heinrich Kieber gar nicht erst auf. Er
freut sich, dass er gemeinsam mit der LGT-Task-Force und Kriminalpsychologe
Müller den ersten Schritt auf seinem Weg nach Australien erfolgreich genommen
hat: Er ist rechtskräftig wegen des Wohnungsbetrugs in Barcelona verurteilt,
muss aber keine Haftstrafe antreten.
Nun können
sich LGT und Heinrich Kieber daranmachen, das nächste Hindernis aus dem Weg zu
räumen, um Kiebers internationale Reisefreiheit wiederherzustellen: den
spanischen Haftbefehl. Kiebers Anwalt Wolfgang Müller: »Es gibt im
Strafverfahren den Grundsatz, dass jemand nicht zweimal wegen derselben Sache
verurteilt werden kann. Wir waren daher unter Einsetzung einer Anwaltskanzlei
in Barcelona etwa ein Jahr lang bemüht, bis es endlich auch zur Einstellung des
Strafverfahrens in Spanien gekommen ist.«
Kieber darf
derweil auch weiterhin die von der Bank gestellte Wohnung in Vaduz bewohnen. Er
pflegt den Kontakt zu seinen Freunden, die von seiner Erpressung des Fürsten
und seiner Verurteilung nichts ahnen. Kieber benimmt sich ihnen gegenüber, als
wäre nichts geschehen: fröhlich, laut und einnehmend. Einen kurzen, kräftigen
Dämpfer erfährt Kieber allerdings im Februar 2004, als Helmut R. nach sieben
Jahren Kampf vor Gerichten in Liechtenstein und Österreich endlich sein Geld
für die ihm abgenommene Wohnung erhält: 382.000 Euro (zum damaligen Wechselkurs
über 590.000 Franken) und 175.000 Euro Prozesskostenerstattung werden ihm
zugesprochen. Entschädigt wird Helmut R. aus dem auf Heinrich Kiebers Konto bei
der Bawag -Bank gesperrten Vermögen.
Mit Michael
Konzett pflegt Kieber seit seiner Rückkehr nach Liechtenstein wieder Kontakt
und erzählt ihm, weshalb er am Buchenweg wohne: »Die Wohnung habe er ganz
günstig von einem ehemaligen Arbeitskollegen bei der Bank mieten können, der
für zwei Jahre oder so nach Singapur oder irgendeine ferne Niederlassung der
Bank versetzt worden sei.« Eines Abends holt ihn Konzett von seiner Wohnung am
Buchenweg ab, um gemeinsam mit weiteren Freunden ein Konzert zu besuchen. Im
Laufe des Abends lernt Kieber Nina Rieser * kennen:
»Henry erzählte mir von seinem Leben, seinen Reisen und seiner Entführung. An
seinen Erzählungen habe ich nie gezweifelt. Die Entführung hat er mir im Detail
geschildert, und seine nervöse
Weitere Kostenlose Bücher