Der Dativ Ist dem Genitiv Sein Tod 1
Abendbereich«.
Wo unbedarfte Gemüter noch von »Tag« und
»Nacht« sprechen, sind Werbeagenturen längst dazu übergegangen, zwischen Tag- und Nachtbereich zu unterscheiden. Der IT-Bereich und der Physik-Bereich kommen ohne die Einteilung in Stunden- und
Minutenbereiche nicht mehr aus, und der Banken- und Wirtschaftsbereich beobachtet die Entwicklung von Kursen und Wertpapieren im Monats- und Jahresbereich.
Ein Kollege berichtete mir von einem Erlebnis in einem Sportfachgeschäft. Auf der Suche nach
Treckingsandalen wandte er sich an eine Verkäuferin, die ihm höflich, aber bestimmt zu verstehen gab: »Diesen Artikel führen wir nur im Sommerbereich.«
Ob die permanente Vermehrung der Bereiche
tatsächlich eine Bereicherung der Sprache bedeutet, darf an dieser Stelle bezweifelt werden. Letztlich handelt es sich um nichts anderes als einen überflüssigen Appendix, der Eleganz oder Bedeutung vortäuschen soll, wo in Wirklichkeit die gewohnte Banalität herrscht. Das Harnlassen wird jedenfalls nicht zu einem höheren Erlebnis, wenn man statt einer Toilette den
Toilettenbereich aufsucht.
Kampf um den Titel der First Lady
»Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Erste im ganzen Land?« — »Frau Schröder-Köpf, Ihr seid die Erste hier, doch die Gattin des Johannes, unseres ersten Mannes, steht noch einen Platz höher als Ihr!« Was wie die moderne Adaption eines Grimm'schen Märchens klingt, ist ein großes protokollarisches Dilemma.
Damals in Gallien waren die Verhältnisse ganz klar: Gutemine war die Gemahlin des Chefs und somit die erste Frau im Dorf. Beim Fischhändler brauchte sie sich nicht in die Schlange einzureihen, sondern wurde selbstverständlich vor allen anderen bedient. Jeder zollte ihr Respekt, und wenn nicht, dann flogen die Fische.
Auch ihr Mann Majestix (» Schnäuzelchen «) tat gut daran, sich unterzuordnen. Es bestand kein Zweifel: Gutemine war die »First Lady« der unbeugsamen Gallier.
Freilich wurde sie im Dorf nicht so genannt, denn der Begriff war ja englisch. Und die Gallier haben es ja bekanntlich nicht so mit dem Englischen. Bei den Teutonen sind englische Wörter dafür umso beliebter, vor allem, wenn sie aus Amerika kommen. Doch nicht jede praktische Formel lässt sich ohne weiteres aus dem Amerikanischen ins Deutsche übertragen; oftmals sind die Verhältnisse zu unterschiedlich. Dennoch verfallen viele sofort in den Automatismus, wann immer sie in irgendeinem Land auf irgendeinem roten Teppich eine offensichtlich geehelichte Frau an der Seite eines offensichtlich amtierenden Regierungschefs ausmachen, von der »First Lady« zu sprechen. So haben wir es schließlich von den Amerikanern, unseren großen sprachlichen Vorbildern, gelernt: Die Ehefrau des
Oberhäuptlings ist die First Lady.
Folglich wird dieser Titel generös und gnadenlos auf sämtliche anderen Ehefrauen von Regierenden
übertragen: Was bei den Amerikanern derzeit Laura Bush, ist bei den Franzosen Bernadette Chirac, bei den Briten Cherie Blair und bei uns in Deutschland ... na klar, Doris Schröder-Köpf. Selbst die Russen, bis vor ein paar Jahren noch Bollwerk gegen die Amerikanisierung der Welt, haben inzwischen nicht nur eine Mafia und ein eigenes Terrorismus-Problem, sondern auch eine eigene First Lady: Ljudmila Putina.
Halt, stopp! Wie war das eben? Doris Schröder-Köpf soll die First Lady Deutschlands sein? Die »erste Frau im Staate«? Und was ist mit der Frau des
Bundespräsidenten? Kommt Christina Rau* erst an zweiter Stelle? Laut Protokoll steht der Bundespräsident drei Stufen über dem Kanzler. Kann dann die Frau des Kanzlers über der des Präsidenten stehen? Vom
Paradoxon mal ganz abgesehen, dass die vierte Ehefrau Gerhard Schröders die »erste« Lady sein soll .. .
Und wie ist es mit Großbritannien? Wenn Cherie Blair die First Lady ist, was ist dann die Queen? Second Lady? Immerhin trägt sie die Ziffer II bereits in ihrem Namen. Doch eine solche Titulierung fände Elizabeth II.
ganz bestimmt nicht lustig.
* Dieser Text entstand im Jahre 2003. Seit dem 1. Juli 2004 heißt die Frau des Bundespräsidenten Eva Köhler.
Gehen wir doch mal logisch vor: Erste Frau im Staat kann nur sein, wessen Ehepartner protokollarisch an der Staats-spitze steht. In den USA ist es Laura Bush, weil ihr Mann George W. Bush das Staatsoberhaupt ist. Das Staatsoberhaupt Großbritanniens ist die Queen, und die ist mit Prinz Philip verheiratet, demnach ist er die First Lady.
Laut
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