Der Dativ Ist dem Genitiv Sein Tod 1
akzeptabel, da sie kürzer oder prägnanter als ihre deutschen Entsprechungen sind.
Auch »chatten« und »simsen« sind bereits in die deutsche Sprache übergegangen: Chatter chatten im Chat, und wer täglich dreißig Kurzmitteilungen per SM S
verschickt, der simst, was das Zeug hält. Es ist allerdings denkbar, dass diese Wörter wieder aus unserem
Wortschatz verschwinden, noch ehe sie Eingang in ein deutsches Wörterbuch gefunden haben. In ein paar Jahren kann die Technik des Simsens völlig veraltet und Chatten plötzlich aus der Mode gekommen sein.
Dann wird man ein paar Ideen recyceln und etwas Neues designen. Oder ein paar Ideen wiederverwerten und etwas Neues gestalten. Warten wir's ab.
Man trifft sich im Abendbereich
In der Welt von morgen schläft man im
Schlafbereich, wäscht sich im Nassbereich, isst im Essbereich und schickt den Hund nach draußen in den Gartenbereich. Man parkt das Auto im Fahrzeugbereich, geht durch den Eingangsbereich in den Bürobereich und verabredet sich für den Abendbereich. Eine schaurige Vorstellung? Größtenteils ist sie schon heute
Wirklichkeit.
Der Vorhang fällt, Pause nach dem zweiten Akt, das Publikum strömt zu den Ausgängen. »Entschuldigen Sie, wo geht es zur Toilette?«, fragt jemand den
Platzanweiser. »Den Toilettenbereich finden Sie links vom Foyerbereich«, lautet die Auskunft. Der Besucher bedankt sich und hakt nach: »Und zum Foyer geht's da lang?« — »Den Foyerbereich erreichen Sie über den zentralen Treppenaufgang gleich neben dem
Garderobenbereich. «
Wer bislang glaubte, Deutschland sei in
Bundesländer, Bezirke, Kreise und Gemeinden
untergliedert, der durfte in den letzten Jahren eine neue Verwaltungseinheit kennen lernen: den Bereich. Denn vor allem und überhaupt ist Deutschland in Bereiche unterteilt.
Das fängt beim Arbeitsbereich an, geht über den Freizeitbereich bis in den privaten Bereich und macht selbst vor dem Intimbereich nicht Halt.
Bereichseinheiten, wohin das Auge blickt. Es scheint, als habe der Drang der Ehrgeizigen nach einem Posten als Bereichsleiter seinen massiven Niederschlag in der Sprache gefunden.
Man hört es ständig und überall, das modische
Anhängsel »-bereich«. Klagte man früher noch über Schmerzen in der
Schulter, so jammern Patienten heute beim Arzt über Schmerzen im Schulterbereich. Masseure kneten im Na-ckenbereich, Männer verlieren Haare im Kopfbereich, und Sportler haben keine Knieverletzungen mehr, sondern Verletzungen im Kniebereich. Deutschland ist in ständiger Bereichschaft.
Längst haben Hotels und Urlaubsresorts entdeckt, dass sich ihre Attraktivität um ein Vielfaches steigern lässt, wenn sie sich in Bereiche unterteilen. So wimmelt es in den einschlägigen Prospekten von Hinweisen wie:
»In unserem Poolbereich haben Sie die Möglichkeit, sich mit Erfrischungsgetränken zu versorgen.« Und:
»Genießen Sie die umfangreiche Auswahl im
Barbereich.« Wer außerdem einen Hometrainer, ein paar Hanteln, eine beheizte Holzkabine und ein
Sprudelbecken zu bieten hat, der bewirbt seinen
»modernen Fitnessbereich«, den »großzügigen
Saunabereich« und den »exklusiven Wellnessbereich«.
Mit seiner Bereichseinteilung kommt jeder Hotelier groß raus.
Da will natürlich niemand im bereichslosen Schatten bleiben. Wenn sich Hotels und Restaurants mit
Foyerbereichen und Barbereichen brüsten, dann verweist das kleine Stehcafe am Eck nicht minder bedeutsam auf seinen »Verzehrbereich«.
Besonders reich an Bereichen ist der Sportbereich.
Da wird zunächst einmal grundsätzlich zwischen Spielerbereich und Zuschauerbereich unterschieden.
Fußballfelder, traditionell durch eine Mittellinie in zwei überschaubare Hälften geteilt, sind mittlerweile von Dutzenden variabler Bereichslinien durchzogen. Das geht vom Angriffsbereich über den Mittelfeldbereich und den Abwehrbereich bis hin zum Torwartbereich. Selbst der Schiedsrichter hat seinen Schiedsrichterbereich, und wer eine Mannschaft trainiert, der arbeitet selbstverständlich im Trainerbereich.
Und als wäre das alles noch nicht genug, breitet sich der Bereichswahn unaufhaltsam von der räumlichen in die zeitliche Dimension aus. Auch die Zeit ist inzwischen in Bereiche unterteilt:
Eine Computerschule bietet »Kurse für Frauen im Morgenbereich« an, ein Gymnasium verspricht »eine Erweiterung des Freizeitangebots im Mittagsbereich«, und immer mehr Menschen verabreden sich zu
gemeinsamen Unternehmungen »im
Weitere Kostenlose Bücher