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Der Dativ Ist dem Genitiv Sein Tod 1

Der Dativ Ist dem Genitiv Sein Tod 1

Titel: Der Dativ Ist dem Genitiv Sein Tod 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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auf den zweiten Blick, wenn überhaupt. Sie kommen im deutschen Gewand her, sodass man sie für
    Sprachangehörige hält. Und heimlich verändern sie unsere Syntax, machen aus »sich an etwas er-innern«
    kurzerhand »etwas erinnern«, streichen das »sich mit jemandem treffen« zu »jemanden treffen« zusammen und verwässern unsere Sprache mit fragwürdigen Phrasen wie »das macht Sinn« (statt »das ist sinnvoll«), »ich denke« (statt »ich meine«, »ich glaube«), »nicht wirklich« (statt »eigentlich nicht«) und »einmal mehr«
    (statt »wieder einmal«).

    Ein Bundesliga-Kommentator beweist, dass es noch schlimmer geht, im Passiv nämlich. In einem Artikel über das spektakuläre Pech, das Torhüter bisweilen haben, schreibt er: » Selbst die Fehler von Stürmern werden selten so nachhaltig erinnert wie verunglückte Paraden oder verhunzte Rettungsaktionen von diesen Männern. «

    »Wie fühlt sich diese Haltung an? Sind Sie bequem oder angespannt?«, lautet eine Frage in einem Selbsttest zur Erforschung der körpereigenen Energien. »Thank you, I'm comfortable«, will man antworten, »aber ich bin keinesfalls so bequem, mir Ihre schlechten
    Übersetzungen gefallen zu lassen!« Bequem können Möbel und Schuhe sein, Liegepositionen und
    Verkehrsverbindungen, aber wenn ein Mensch bequem ist, dann ist er auf gut Deutsch faul, und das gäben wohl die wenigsten offen zu, nicht mal in einem Selbsttest.
    In Deutschland gibt es immer mehr Rückrufaktionen.
    Längst sind es nicht nur Automobilhersteller und Möbelhäuser, die fehlerhafte Modelle zurückrufen. Das Rückrufen ist zu einem Volkssport geworden, jeder ruft heute jeden zurück: »Lassen Sie uns das später ausdiskutieren. Ich rufe Sie zurück!« – »Kann ich Sie zurückrufen?« – »Ruf mich zurück, wenn du Zeit hast!«
    – »Rufen Sie nicht uns zurück, wir rufen Sie zurück!« Da bekommt man auf gut Deutsch einen Rappel! So wie nach zwei Stunden Fahrt auf einer französischen Autobahn*.

    * Das französische Wort »rappel« — mit Betonung auf der zweiten Silbe — bedeutet »Rückruf«, »Erinnerung«, »Ermahnung« und ist ein häufiger Zusatz unter
    Verkehrsschildern zur
    Geschwindigkeitsbegrenzung.
    Im Englischen heißt es » I'll call you back«, auf Deutsch pflegte man früher zu sagen: »Ich rufe Sie wieder an«, aber das scheint vollkommen passe – pardon: out zu sein.

    Cogito ergo sum, ich denke, also bin ich. Diese berühmt gewordene Erkenntnis des französischen Philosophen Rene Descartes (1596–165o) ist allerdings kein Grund, jede Meinungsäußerung mit »Ich denke«
    anzufangen. So kennt man es von den Amerikanern, für die »Well, I think ... « die natürlichste Floskel der Welt ist, mit der sie zu erkennen geben, dass sie ein persönliches »Statement« abgeben. Auf Deutsch sagt man eher, was man meint oder glaubt (»Ich meine, ...«,
    »Ich glaube, dass ...«) oder von einer Sache hält (»Ich halte das für ... «, »Ich finde es richtig, dass ... «).
    Allerdings ist »Ich denke« womöglich immer noch besser als das umständliche »Ich würde sagen«, über das sich schon Generationen von Lehrern vergebens ereifert haben.

    Dass unter dem Einfluss des Englischen im
    Deutschen immer mehr »gemacht« wird, kam bereits im Zusammenhang mit »Sinn machen« zur Sprache. »What a difference a day makes«, lautet der Titel eines amerikanischen Song-Klassikers. Welchen Unterschied etwas macht, fragt man sich immer häufiger auch auf Deutsch: »Was macht das für einen Unterschied?« Doch das ist umgangssprachlich und gilt als zweite Wahl hinter
    »worin liegt/besteht der Unterschied«. Vorläufig noch.

    In Sportreportagen hört man immer häufiger
    verdrehte Ausdrücke wie »Halbzeit zwei« und »Minute 68« anstelle der üblichen »zweiten Halbzeit« und der
    »68. Minute«. Woher die Sportberichterstatter das haben? Aus einem Lehrbuch für gutes Deutsch bestimmt nicht. Auch dies ist zweifellos ein Amerikanismus. Im Englischen ist es Brauch, die Zahlen nachzustellen, so heißt es beispielsweise auch »in World War 2«, wenn
    »im Zweiten Weltkrieg« gemeint ist. Und auch diese syntaktische Verbiegung findet bereits im Deutschen eifrige Nachahmer: »In Weltkrieg 11 standen sich Deutsche und Amerikaner erneut gegenüber.« Gruselig!

    Überhaupt die Präposition »in«! Sie hat sich im deutschen Wirtschaftsjargon inzwischen einen festen Platz an ungewöhnlicher Stelle erobert: vor Jahreszahlen.
    »Der Hersteller rechnet mit einem

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