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Der Dativ Ist dem Genitiv Sein Tod 1

Der Dativ Ist dem Genitiv Sein Tod 1

Titel: Der Dativ Ist dem Genitiv Sein Tod 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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»Hinterbänkler«, der drei Diskriminierungen auf einmal enthält: der Abgeordnete wird aufs Sitzen reduziert, dann auch noch nach hinten geschoben und zu schlechter Letzt mit einem
    -ler als Fuzzi abgetan.

    Wenn der Verfasser eines Kommentars richtig in Fahrt kommt, dann verwendet er auch gerne Ausdrücke wie »Ausschüssler«, »Gewerkschaftler« und
    »Vorständler«. Letzteres bewegt sich klanglich sehr in der Nähe des Ruheständlers, was manchmal wohl auch beabsichtigt ist. Auch »Ausschüssler« ist nicht sehr höflich, klingt es doch mehr nach einem Kind, das eine Kuchenteigschüssel leer schleckt, als nach einem viel beschäftigten Politiker. Wen wundert es noch, wenn die Wähler von der Arbeit in parlamentarischen Ausschüssen keine hohe Meinung haben, wenn schon die Presse derart schnodderig darüber schreibt? Selbstverständlich stehen diese Begriffe nicht im Duden, ebenso wenig wie das Wort »Verhandler«, was aber niemanden davon abhält, es bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu verwenden.

    Vollkommen von Wohlklangbefreit sind die gern
    gewählten Kurzformen CDUler, SPDler, PDSler und FDPler. Praktisch zwar, gewiss, und überall dort beliebt, wo es gilt, Platz zu sparen. Die Behauptung, ihre Verwendung sei absolut wertfrei, lässt sich indes nicht halten. Denn es finden sich kaum Fälle, in denen die Bezeichnung »SPDler« als Attribut für Gerhard Schröder herhalten muss, auch wurde Helmut Kohl nur selten als »
    CDUler« beschrieben, und Angela Merkel zum Glück noch nicht als »CDUlerin«. Wenn Politiker auf die Buchstaben ihrer Partei plus das Suffix -ler reduziert werden, so handelt es sich meistens um nachrangige Funktionäre. Bei den ganz hohen »Tieren« schreckt der Redakteur dann doch zurück. Irgendwo in seinem tiefsten Innern spürt er, dass der »SPDler Schröder« eine Spur zu nonchalant ist.

    So landet der kommentierende Nach-Tritt oftmals nicht im Hintern, sondern in einem Kuhfladen. Denn was durch Anhängen der Silbe -ler herauskommt, klingt nicht selten grauenvoll und ist von jeglichem ästhetischen Anspruch an Sprache und Stil weit entfernt.

    Häftlinge als »Knastler« zu bezeichnen (»taz«) ist stilistisch genauso fragwürdig wie die frühere Bezeichnung »Zuchthäusler«.
    Wer mit Computern zu tun hat, weiß, dass der Beruf des Programmierers viel zu kompliziert ist, um diesen mal eben locker als »Programmler« (»Stern«) abzutun.
    Dass Geheimdienstmitarbeiter von der Presse noch oft als »Schlapphüte« bezeichnet werden, ist peinlich genug, aber wenigstens noch klangvoll;
    »Geheimdienstler« hingegen klingt nur noch vermurkst
    — Prädikat: »bemüht lässig«. Dasselbe gilt für
    »Kundendienstler«. Fehlt nur noch, dass Geistliche als »
    Gottesdienstler« verunglimpft werden.

    Die Bezeichnung »Protestier« für jene mutigen
    Menschen, die sich im Juni 1953 den sowjetischen Panzern entgegenstellten, wird der historischen Bedeutung nicht gerecht. Diese Menschen haben eine würdigere Bezeichnung verdient. Höchster Respekt gebührt auch jenen, die wie die Geschwister Scholl ihr Leben im Widerstand gegen das Nazi-Regime riskiert und womöglich verloren haben. Diesen Respekt lässt die flapsige Titulierung als »Widerständler« jedoch vermissen.

    Des Öfteren ist in den Nachrichten auch von
    »Abweichlern« die Rede; gemeint sind die »Rebellen« in der SPD-Fraktion, die die Kühnheit besitzen, sich dem Willen der Parteispitze zu widersetzen. Der Begriff ist nicht nur aus klanglichen Gründen fehl am Platze: Viele wissen offenbar nicht, dass der Begriff »Abweichler«
    außerdem historisch besetzt ist. »Abweichler« wurden jene Anhänger der kommunistischen Bewegung genannt, die für ihre Kritik am Stalinismus oftmals einen hohen Preis zahlen mussten. Einer der berühmtesten
    »Abweichler« war Trotzki; er wurde 1940 ermordet. Wer also diejenigen Sozialdemokraten, die sich dem Frak-tionszwang widersetzen, als »Abweichler« bezeichnet, der schreibt der heutigen SPD stalinistische Tendenzen zu und ihrem Parteichef eine Machtfülle, von der er in Wahrheit nur träumen kann.

    In Kürze wird dieses Wort zwar wieder in der
    Mottenkiste der Sprachgeschichte verschwunden sein, dennoch gilt: Jeder wähle seine Worte mit Bedacht und im Bewusstsein ihrer Bedeutung und Wirkung. Ein
    »Justizler« würde dem sofort zustimmen. Ein
    »Leitartikler«, ein »Krittler« und andere »Schreiber-linge« hoffentlich auch. Es steht aber jedem weiterhin frei, den Verfasser dieses

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