Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2
geben Sie den Herren diesen Brief von mir. (Dativ)
Fragen Sie die Herren dort drüben! (Akkusativ)
Der Herr stellt innerhalb seiner Deklinationsgruppe eine
Ausnahme dar, denn andere Wörter wie der Bär oder der
Graf, die zur selben Gruppe gehören, weisen im Genitiv,
Dativ und Akkusativ keinen Unterschied zwischen Singular
und Plural auf.
Mit Ausnahme der direkten Anrede, bei der»Herr« immer
im Nominativ steht (»Schön, Sie zu sehen, Herr Kaiser!«),
wird das »Herr« vor Namen und Titeln immer gebeugt:
Sie sitzen auf Herrn Künneckes Platz! (Genitiv)
Der Hund gehört Herrn Wagner. (Dativ)
ir warten auf Herrn Forster. (Akkusativ)
Kennen Sie Herrn Dr. Metzler? (Akkusativ)
Auch ist es nach wie vor üblich, auf Briefen den Adressaten
zu beugen:
Herrn Konrad Meier
Fasanenstieg 14
22 301 Hamburg
Man kann das »Herrn« auch weglassen, aber wenn man es
schreibt, muss man es beugen. »Herr Konrad Meier« als
Adressangabe auf einem Brief gilt als unkorrekt.
Der angedrohte Wille
»Der Minister kündigte an, die Probleme noch in dieser Legislatur-
periode anpacken zu wollen.« Das klingt im ersten Moment nach
Initiative. Doch wenn man diesen Satz mit dem Finger berührt,
zerfällt er zu Staub. Schuld daran ist diesmal aber nicht die
Regierung, sondern ein weit verbreiteter »Übersetzungsfehler«.
»Wenn du mich küsst, werde ich imstande sein, mich in ei-
nen wunderschönen Prinzen verwandeln zu können«, sagte
der Frosch, »und ich gelobe, dich lieben zu wollen, und ich
verspreche, dir für alle Zeit treu sein zu wollen.« Woraufhin
die Prinzessin den Frosch packte und gegen einen Beton-
pfeiler schleuderte, an dem er mit einem unappetitlichen Ge-
räusch zerplatzte. Sie tat gut daran, denn die Versprechungen
des Frosches taugten nichts.
Inhaltsleeres Froschgequake hört man allerorten − vor al-
lem natürlich in der Politik. Doch nicht immer sind es die
Politiker selbst, die beim Sprechen Seifenblasen produzieren.
Oft werden ihre Worte erst bei der Wiedergabe zu Sei-
fenblasen.
»Bundeskanzler Schröder kündigte an, die Bedingungen für
Arbeit verbessern zu wollen«, ist in der Zeitung zu lesen.
Na bitte, immerhin, es tut sich was. Nach all den Fehlschlä-
gen und Enttäuschungen der letzten Zeit geht der Kanzler
wieder in die Offensive, packt was an, setzt sich mit Unter-
nehmern und Gewerkschaftern an einen Tisch... und kündigt
Verbesserungen an. Alles wird gut!
Doch halt − haben wir da nicht etwas überlesen? Was ge-
nau kündigte Schröder laut der Zeitung an? Gleich mal die
Goldwaage rausholen und die Wörter wiegen. Und siehe da:
Die Waage zeigt überhaupt nichts an. Also doch wieder
nichts als heiße Luft! Das Überraschungsei ist leer!
Wie kommt’s? Die Antwort auf diese Frage liegt in einer
syntaktischen Fallgrube, in die immer dann jemand stolpert,
wenn direkte Rede in indirekte verwandelt wird. Zu Beginn
stand ein großes Wort im Raum: »Wir wollen die
Bedingungen für Arbeit verbessern.« Schröder war’s, der das
gesagt hat. Die korrekte Wiedergabe dieser Aussage in
indirekter Rede liest sich so: »Schröder sagte, er wolle die
Bedingungen für Arbeit verbessern.« Wenn aber das Wort
»sagen« durch »ankündigen« ersetzt wird, enthält der Satz
auf einmal mehr Wörter als nötig.
Durch diesen »Übersetzungsfehler« wurden die Worte des
Kanzlers entwertet, denn von der versprochenen Ver-
besserung bleibt nichts weiter als die Aussicht auf ein biss-
chen guten Willen. Das Wollen ist bereits im Ankündigen
enthalten, die Niederschrift des Modalverbs ist nicht mehr
nötig. Es genügt völlig, wenn man schreibt: »Schröder kün-
digte an, die Bedingungen für Arbeit zu verbessern.«
Was für die Ankündigung gilt, gilt übrigens auch für das
Versprechen: »Der Vorstand versprach, im nächsten Jahr
deutlich mehr Umsatz machen zu wollen.« Ein Lichtblick in
Zeiten der Rezession, könnte man meinen. Doch so, wie
dieser Satz formuliert ist, bedeutet er nicht mehr, als dass
eine Gruppe von hoch bezahlten Managern den versammel-
ten Aktionären die Entwicklung ihres Willens in Aussicht
gestellt hat.
»Zu offensichtlich ist Bsirskes Versuch, sich damit als ei-
ner der mächtigsten Gewerkschaftsführer persönlich profi-
lieren zu wollen«, war über den Ver.di-Chef zu lesen. Netter
Versuch! Bsirske bemüht sich um Gestaltung seines Wil-
lens − immerhin ein Anfang.
In einem Text über einen in Deutschland spielenden
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