Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
Vom Netzwerk:
geben Sie den Herren diesen Brief von mir. (Dativ)
    Fragen Sie die Herren dort drüben! (Akkusativ)
    Der Herr stellt innerhalb seiner Deklinationsgruppe eine
    Ausnahme dar, denn andere Wörter wie der Bär oder der
    Graf, die zur selben Gruppe gehören, weisen im Genitiv,
    Dativ und Akkusativ keinen Unterschied zwischen Singular
    und Plural auf.
    Mit Ausnahme der direkten Anrede, bei der»Herr« immer

    im Nominativ steht (»Schön, Sie zu sehen, Herr Kaiser!«),
    wird das »Herr« vor Namen und Titeln immer gebeugt:
    Sie sitzen auf Herrn Künneckes Platz! (Genitiv)
    Der Hund gehört Herrn Wagner. (Dativ)
    ir warten auf Herrn Forster. (Akkusativ)
    Kennen Sie Herrn Dr. Metzler? (Akkusativ)

    Auch ist es nach wie vor üblich, auf Briefen den Adressaten
    zu beugen:
    Herrn Konrad Meier
    Fasanenstieg 14
    22 301 Hamburg

    Man kann das »Herrn« auch weglassen, aber wenn man es
    schreibt, muss man es beugen. »Herr Konrad Meier« als
    Adressangabe auf einem Brief gilt als unkorrekt.

    Der angedrohte Wille

    »Der Minister kündigte an, die Probleme noch in dieser Legislatur-
    periode anpacken zu wollen.« Das klingt im ersten Moment nach
    Initiative. Doch wenn man diesen Satz mit dem Finger berührt,
    zerfällt er zu Staub. Schuld daran ist diesmal aber nicht die
    Regierung, sondern ein weit verbreiteter »Übersetzungsfehler«.

    »Wenn du mich küsst, werde ich imstande sein, mich in ei-
    nen wunderschönen Prinzen verwandeln zu können«, sagte
    der Frosch, »und ich gelobe, dich lieben zu wollen, und ich
    verspreche, dir für alle Zeit treu sein zu wollen.« Woraufhin
    die Prinzessin den Frosch packte und gegen einen Beton-
    pfeiler schleuderte, an dem er mit einem unappetitlichen Ge-
    räusch zerplatzte. Sie tat gut daran, denn die Versprechungen
    des Frosches taugten nichts.
    Inhaltsleeres Froschgequake hört man allerorten − vor al-
    lem natürlich in der Politik. Doch nicht immer sind es die
    Politiker selbst, die beim Sprechen Seifenblasen produzieren.
    Oft werden ihre Worte erst bei der Wiedergabe zu Sei-
    fenblasen.
    »Bundeskanzler Schröder kündigte an, die Bedingungen für
    Arbeit verbessern zu wollen«, ist in der Zeitung zu lesen.
    Na bitte, immerhin, es tut sich was. Nach all den Fehlschlä-
    gen und Enttäuschungen der letzten Zeit geht der Kanzler
    wieder in die Offensive, packt was an, setzt sich mit Unter-
    nehmern und Gewerkschaftern an einen Tisch... und kündigt
    Verbesserungen an. Alles wird gut!
    Doch halt − haben wir da nicht etwas überlesen? Was ge-
    nau kündigte Schröder laut der Zeitung an? Gleich mal die
    Goldwaage rausholen und die Wörter wiegen. Und siehe da:
    Die Waage zeigt überhaupt nichts an. Also doch wieder
    nichts als heiße Luft! Das Überraschungsei ist leer!

    Wie kommt’s? Die Antwort auf diese Frage liegt in einer
    syntaktischen Fallgrube, in die immer dann jemand stolpert,
    wenn direkte Rede in indirekte verwandelt wird. Zu Beginn

stand ein großes Wort im Raum: »Wir wollen die
    Bedingungen für Arbeit verbessern.« Schröder war’s, der das
    gesagt hat. Die korrekte Wiedergabe dieser Aussage in
    indirekter Rede liest sich so: »Schröder sagte, er wolle die
    Bedingungen für Arbeit verbessern.« Wenn aber das Wort
    »sagen« durch »ankündigen« ersetzt wird, enthält der Satz
    auf einmal mehr Wörter als nötig.
    Durch diesen »Übersetzungsfehler« wurden die Worte des
    Kanzlers entwertet, denn von der versprochenen Ver-
    besserung bleibt nichts weiter als die Aussicht auf ein biss-
    chen guten Willen. Das Wollen ist bereits im Ankündigen
    enthalten, die Niederschrift des Modalverbs ist nicht mehr
    nötig. Es genügt völlig, wenn man schreibt: »Schröder kün-
    digte an, die Bedingungen für Arbeit zu verbessern.«
    Was für die Ankündigung gilt, gilt übrigens auch für das
    Versprechen: »Der Vorstand versprach, im nächsten Jahr
    deutlich mehr Umsatz machen zu wollen.« Ein Lichtblick in
    Zeiten der Rezession, könnte man meinen. Doch so, wie
    dieser Satz formuliert ist, bedeutet er nicht mehr, als dass
    eine Gruppe von hoch bezahlten Managern den versammel-
    ten Aktionären die Entwicklung ihres Willens in Aussicht
    gestellt hat.
    »Zu offensichtlich ist Bsirskes Versuch, sich damit als ei-
    ner der mächtigsten Gewerkschaftsführer persönlich profi-
    lieren zu wollen«, war über den Ver.di-Chef zu lesen. Netter
    Versuch! Bsirske bemüht sich um Gestaltung seines Wil-
    lens − immerhin ein Anfang.
    In einem Text über einen in Deutschland spielenden

Weitere Kostenlose Bücher