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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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dass
    wegen einer Computerumstellung heute leider »keine Kon-
    toauszüge am Automat« erhältlich seien, brennt es einem in

    den Augen. Wenn der Komiker im Fernsehen freimütig be-
    richtet, wie er sich letztens wieder »zum Idiot gemacht«
    habe, kribbelt es einem in den Ohren. Wenn eine Illustrierte
    »neue Enthüllungen über den norwegischen Prinz« ver-
    spricht, bekommt man schon rote Flecken, und wenn kleine
    handgeschriebene Kärtchen an hübsch verpackten Ge-
    schenken verkünden, dies sei »für den Konfirmand«, dann
    wird der Juckreiz unerträglich.
    Kennen Sie jemand, der sich von niemand beugen lässt?
    Das wäre − in grammatischer Hinsicht − keine gewinnbrin-
    gende Bekanntschaft. Sollten Sie aber jemanden kennen,
    der niemandem einen Ge-Fall-en ausschlägt, dann dürfen Sie
    sich glücklich schätzen. Der Verzicht auf die Endung bei
    »jemand« und »niemand« im Dativ und im Akkusativ ist
    heute nahezu selbstverständlich. Und er hat bereits so lange
    Tradition, dass er mittlerweile von den Grammatikwerken
    gebilligt wird. Nicht gebilligt werden hingegen »Neue Er-
    kenntnisse über den Höhlenmensch«, »Fotografien vom
    Planet Erde« und schon gar nicht die »Jagd auf den letzten
    Leopard«. Zu wünschen wäre vielmehr, dass, solange noch
    Menschen auf diesem Planeten leben, sie sich für den Leo-
    parden und andere bedrohte Arten einsetzen und den Kasus
    Verschwindibus bekämpfen werden.
    Am schlimmsten bedrängt vom Kasus Verschwindibus ist
    der Genitiv, und zwar bei Fremdwörtern männlichen und
    sächlichen Geschlechts. Viele scheinen zu glauben, man kön-
    ne auf die Genitivendung verzichten; so mancher hält ihre
    Verwendung gar für falsch. Und so kommt es zu Ausstellun-
    gen über »Die Kulturgeschichte des Kaffee« (statt des Kaf-
    fees) und zu Büchern über »Die Geheimnisse des Islam«
    (statt des Islams). Man liest vom »Vorsitzenden des Komi-
    tee« und studiert das »Programm des diesjährigen Festival«.
    Und immer wieder hört man von den »Terroranschlägen des
    11. September«, statt »des 11. Septembers«. Wenn man die

    Verursacher des September-s-Wegfalls fragt, was sie dazu
    veranlasst habe, so antworten die meisten, die Form ohne
    »s« klinge in ihren Ohren »irgendwie richtiger«. Begründun-
    gen, die das Wort »irgendwie« enthalten, die also irgendwie
    so aus dem Bauch heraus entstanden sind, sind irgendwie
    nicht richtig überzeugend. Natürlich muss es »des 11. Sep-
    tembers« heißen, was sollte am Weglassen eines Schluss-
    laut elegant sein? (Wenn Sie eben zusammengezuckt sind
    und denken: Es muss doch »Schlusslautes« heißen, dann ist
    das der beste Beweis.) Der Verzicht auf die Genitivendung
    bei Fremdwörtern wird vom Duden als falsch bezeichnet.
    Zum Glück! Sonst wäre dieses Buch nämlich kein Beitrag zur
    Rettung des Genitivs, sondern höchstens einer »zur Rettung
    des Genitiv«.
    Und das wäre nicht genug! Denn der Genitiv braucht jede
    verfügbare Hilfe, um die Ausbreitung des Kasus Verschwin-
    dibus einzudämmen. Sonst steht er irgendwann völlig nackt
    da. Dann ist es »in den Weiten des Orient« genauso öd und
    leer wie »am Rande des Universum«.
    Und ein bisschen mehr Beugungen wünscht man sich auch
    für die anscheinend endlose und vor allem endungslose
    »Erfolgsgeschichte des Kerpener vom Kart-Pilot zum Top-
    Favorit des deutschen Motorsport«. Wo der kassierte
    Kasus grassiert, wird man früher oder später des Wahnsinn
    fette Beute.

    Beugt sich der Herr zum Herrn oder zum Herren?
    Frage einer Schülerin aus Buxtehude: Als künftige
    Dame wüsste ich gern rechtzeitig, wie »der Herr« korrekt ge-
    beugt wird. Heißt es »des Herrn« oder »des Herren«? Dient
    der Diener einem Herrn oder einem Herren? Erhebt sich der
    Sklave gegen seinen Herrn oder gegen seinen Herren? Oder
    spielt der Unterschied womöglich keine Rolle?

    Antwort des Zwiebelfischs: Der kleine Unterschied zwischen
    »Herrn« und »Herren« spielt eine große Rolle. Die Endung
    verrät, ob wir es mit einem Herrn oder mit mehreren Herren
    zu tun haben. Der Herr lässt sich in der Einzahl außer einem
    »n« nichts anhängen:
    Was wünscht der Herr? (Nominativ)
    Dort steht das Gepäck des Herrn von Zimmer 307 (Genitiv)
    Bitte geben Sie dem Herrn diesen Brief von mir. (Dativ)
    Fragen Sie den Herrn dort drüben! (Akkusativ)
    Die Formen auf -en markieren die Mehrzahl:
    Was wünschen die Herren ? (Nominativ)
    Dort steht das Gepäck der Herren von Zimmer 307. (Genitiv)
    Bitte

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