Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2
jetzt mit meiner Ansicht nicht durchsetzen, da
mir das »schlagende« Argument fehlt. Jetzt wende ich mich
voller Hoffnung an Sie. Welche Deutung ist die richtige?
Antwort des Zwiebelfischs: Die Redewendung von der
»Faust aufs Auge« ist ein klassisches Beispiel für die Wand-
lungsfähigkeit der deutschen Sprache. Mit dem Vergleich
wurde ursprünglich ausgedrückt, dass etwas überhaupt
nicht zu etwas passt. Faust und Auge passen nicht zusam-
men, weil es höchst unangenehm ist, einen Faustschlag aufs
Auge zu bekommen. Als einen solchen Faustschlag konnte
zum Beispiel der modebewusste Mensch unpassende Klei-
der- und Farbkombinationen empfinden: »Roter Rock zu
orangefarbener Bluse − das passt wie die Faust aufs Auge!«
So die ursprüngliche Bedeutung, wie Sie sie kennen gelernt
haben.
Durch häufigen ironischen Gebrauch entwickelte sich aber
eine zweite, und zwar genau gegenteilige Bedeutung: etwas
passt sehr gut, ganz genau zueinander. Die ironische
Sinnverdrehung gipfelte in der scherzhaften Abwandlung
»Das passt wie Faust aufs Gretchen«, bei der auf Goethes
»Faust« Bezug genommen wird.
Die zweite Deutung ist heute die geläufigere, auch wenn die
ursprüngliche nach wie vor gültig ist. Im Zweifelsfall er-
schließt sich die passende Deutung aus dem Zusammenhang.
Krieg der Häkchen: Episode »2« − die »Rückkehr«
Der Deutsche an sich hat eine unerklärliche Vorliebe für Häkchen.
Aus lauter Begeisterung setzt er sie auch gerne dort, wo sie nichts
zu suchen haben. Falsche Kommas, sind an der Tagesordnung. Auch
vor Apostroph’en ist niemand mehr sicher. Aber es kommt noch di-
cker: Jetzt hat den Deutschen die »Anführungswut« gepackt – und
es gibt »kein Entrinnen« mehr!
Als ich kürzlich am Bahnhof vorbeiging, fiel mein Blick auf
ein Schild, das an einer Mauer angebracht war:
»Hier bitte keine Fahrräder abstellen«, stand darauf. Ich blieb
ruckartig stehen, wandte den Kopf und sah mir das Schild
noch einmal ganz genau an. Ich hatte mich nicht getäuscht,
dort stand tatsächlich »Hier bitte keine Fahrräder abstellen«
− und zwar genau so, wie Sie es hier sehen: mit An- und Ab-
führungszeichen. Es handelte sich demnach offenbar um ein
Zitat, denn Zitate werden in Anführungszeichen wie-
dergegeben. Also suchte ich nach einer Quellenangabe, nach
dem Namen des Urhebers, doch da stand nichts weiter. Ir-
gendwer musste diesen Spruch aber geprägt haben. Vielleicht
war er zu unbedeutend, um auf dem Schild erwähnt zu
werden? Aber warum wurde er dann überhaupt zitiert? Die
Sache ließ sich leider nicht mehr aufklären.
Ein paar Tage später entdeckte ich in einem Kaufhaus ein
Schild, auf dem folgender Hinweis stand: Gerne packen wir
Ihre »gekauften Artikel« in unserer Geschenkabteilung ein.
Auf ein solches Schild muss man zweimal schauen; denn die
An- und Abführungszeichen rund um die »gekauften Arti-
kel« haben eine irritierende Wirkung. So wie ein Augen-
zwinkern. Wenn ich mir bei der Kleideranprobe einen Pull-
over überziehe, der mir ein paar Nummern zu groß ist, und
der Verkäufer sagt: »Das macht nichts, da wachsen Sie noch
rein!«, und dabei zuckt er heftig mit dem linken Auge, dann
weiß ich: Das war nicht so gemeint, das war nur kleines
Späßchen. Genauso fühlte ich mich von den Gänsefüßchen
bei den »gekauften Artikeln« angezwinkert. So als wollte das
Schild mir sagen: »Na, alter Langfinger, haste wieder was
mitgehen lassen?« Möglicherweise sollte dieses Schild gar
kein Hinweis auf den Verpackungsservice sein, sondern war
am Ende ein äußerst subtiles Mittel zur Verhütung von La-
dendiebstählen !
Das Erlebnis im Kaufhaus erinnerte mich an eine Beob-
achtung, von der Freunde mir berichtet hatten. Auf irgend-
einem Flughafen war ihnen ein Schild aufgefallen, das fol-
gende Aufschrift trug: Bitte lassen Sie Ihr »Gepäck« nicht
unbeaufsichtigt! Die Häkchen vor und hinter dem Wort Ge-
päckverliehen dem Ganzen einen geradezu empörend arro-
ganten Unterton. Meine Freunde lasen unwillkürlich zwi-
schen den Zeilen heraus: »Ihre schäbigen Koffer verdienen
zwar kaum die Bezeichnung Gepäck, aber lassen Sie sie
trotzdem nicht unbeaufsichtigt.«
Die Mode des gedankenlosen Setzens von Anführungs-
zeichen greift immer wilder um sich. Dabei wird der ge-
wünschte Effekt, nämlich Betonung, längst nicht immer
erreicht. Oft ist eher das Gegenteil der Fall, und die Empfeh-
lung schlägt in
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