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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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ist bereits Präsident.
    In den USA kann sich derzeit nur George W. Bush als Prä-
    sident für den Chefposten der Weltbank bewerben. Ob das
    Protokoll das zulässt, weiß ich nicht, aber wenigstens lässt
    es die Grammatik zu. Im Falle Paul Wolfowitz’ lässt sie es
    nicht zu. Der kann bestenfalls (in seiner bisherigen Funk-
    tion) als stellvertretender Verteidigungsminister der USA
    für einen möglicherweise einträglicheren Posten kandidie-
    ren. »Als« bezieht sich auf das, was er ist, und nicht auf das,

    was er werden will. So wie sich Henry als mein Freund of-
    fenbar um den Abwasch bewirbt, wenn er glaubt, ungestraft
    über meine Kochkünste spotten zu können.
    Man bewirbt sich für ein Amt oder um eine Stelle, aber wer
    sich als jemand bewirbt, der ist dieser jemand bereits. Wer
    »als Pirat« oder »als Prinzessin« zum Karneval geht, der hat
    die Kostümierung schon vorher angelegt. Und wer seine
    Freunde und Bekannten per Anzeige »als Verlobte grüßen«
    lässt, der ist bereits verlobt und gibt nicht erst mittels dieser
    Anzeige seine Verlobungsabsicht bekannt.
    Die Frage »Soll Joschka Fischer sich als Bundespräsident
    bewerben?« muss folglich so beantwortet werden: Erst mal
    soll er Präsident werden, dann sieht man weiter, wofür er
    noch so alles taugt. Viele Journalisten bekommen das kleine
    Wörtchen »als« immer wieder in den falschen Hals. Zwar
    kann man als Sieger aus einem Wettkampf hervorgehen,
    doch wird man nicht als Sieger gekürt, sondern zum Sieger.
    Andererseits ist es falsch, wenn man sagt: »Dich hätte ich
    gern zum Vorgesetzten!« Hier muss es richtig heißen: »Dich
    hätte ich gern als Vorgesetzten!«. Zwischen »als« und
    »zum« besteht ständige Verwechslungsgefahr. Dabei
    bedeuten sie keinesfalls dasselbe. »Als« steht vor dem, was
    ist, »zum« (oder »zur«) steht vor dem, was sein wird. Am
    deutlichsten offenbart sich der Unterschied anhand des
    folgenden Beispiels:
    Als Minister taugte er nicht = Er war Minister und versagte
    kläglich im Amt.
    Zum Minister taugte er nicht = Er sollte besser nicht
    Minister werden.
    Die Konjunktion »als« ist noch in anderer Hinsicht phä-
    nomenal. Hinter bestimmten Verben (als da zum Beispiel
    wären »erklären«, »ansehen«, »betrachten« und »erachten«)

    steht sie in einer interessanten Konkurrenz zum Wörtchen
    »für«, die eine etwas genauere Betrachtung verdient.
    Warum heißt es »jemanden als vermisst« melden, aber
    »jemanden für tot erklären«? Warum nicht »für vermisst«
    oder »als tot«? In der Wahl des jeweiligen Bindewörtchens
    offenbart sich ein Bedeutungsunterschied. Wenn ich Henry
    »für« verrückt erkläre, so spiegelt das meine Meinung wider
    und beruht nicht unbedingt auf Tatsachen. Wenn er hinge-
    gen meine Kochkünste »als« unzureichend erklärt, so hört
    sich das wie das unumstößliche Ergebnis einer Prüfungs-
    kommission an. Im Wörtchen »für« schwingt also eine ge-
    wisse Subjektivität mit, während »als« den Anschein von
    Objektivität hat. Wer »für tot erklärt« wird, der gilt als tot,
    ohne dass man es beweisen kann. Wer »als vermisst gemel-
    det« wird, der wird tatsächlich vermisst. Wenn eine Unter-
    schrift »als echt anzusehen« ist, dann gibt es keinen Zweifel
    an ihrer Authentizität. Wird sie hingegen »für echt angese-
    hen«, dann wird sie nur für echt gehalten, kann aber den-
    noch gefälscht sein.
    Als Adolf Hitler 1936 die Olympischen Spiele in Berlin er-
    öffnete, erklärte er sie nicht »für eröffnet«, sondern »als er-
    öffnet«. Hitler hat es bekanntermaßen mit Gesetzen und
    Regeln nicht sehr genau genommen, auf seinem Weg an die
    Macht und in den Untergang hat er sich über die meisten
    Gebote (zum Beispiel die der Vernunft und der Menschlich-
    keit) auf grausige Weise hinweggesetzt. In diesem Fall aber
    nahm er es zumindest mit der Grammatik sehr genau. Denn
    die Erklärung gab keine subjektive Einschätzung wieder,
    sondern schuf eine für alle Beteiligten verbindliche Tatsa-
    che. Man kann nun darüber streiten, ob die Formulierung
    »Hiermit erkläre ich das Büffet für eröffnet« nicht korrekter-
    weise heißen müsse »Hiermit erkläre ich das Büffet als er-
    öffnet«. Ich rate dringend davon ab, deswegen einen Streit
    vom Zaun zu brechen. Das könnte die Partystimmung ver-

    miesen. Vor allem rate ich davon ab, sich in dieser Frage auf
    Adolf Hitler zu berufen. Das könnte noch viel mehr vermie-
    sen als nur eine Party.
    Geduldig hat

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