Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
Vom Netzwerk:
hätte heute vermutlich nur unter
    dem Titel »Der Cop von St. Louis« an den Kinokassen eine
    Chance.
    Der Billy-Wilder-Film »The Apartment« wurde seinerzeit
    noch mit »Das Appartement« übersetzt. Da wurde der
    Doorman auch noch Portier genannt, und der Taxidriver
    war tatsächlich noch ein Chauffeur. Früher wurde der Gut-
    schein auch mal Coupon genannt, heute bekommt man einen
    Voucher. Man kauft auch keine Billetts mehr, sondern
    Tickets. Hotels haben ihr Vestibül zur Lobby umgebaut und
    ihr Foyer zur Lounge. (Ironischerweise sprechen viele Men-
    schen das Wort »Lounge« französisch aus − die Sehnsucht
    nach französischem Flair scheint noch nicht gänzlich erlo-
    schen.)
    Das Kellergeschoss von Warenhäusern heißt nicht mehr
    Souterrain, sondern Basement. Dort befindet sich häufig die

    Weinabteilung, in der man hervorragenden kalifornischen
    Chardonnay bekommt − und Champagner, selbstver-
    ständlich. Der ist, wenn trocken, nicht mehr »sec«, sondern
    »dry«.
    Wer heute ein Cafe eröffnet, nennt es vorausschauend
    »Coffeeshop«, denn die Amerikaner sind ja für ihren Kaffee
    berühmt. Wie auch für ihr Essen (»Food«), weshalb man heu-
    te nicht mehr von »Nouvelle Cuisine« spricht, sondern von
    »french cooking«. Vorab gibt’s anstelle des Hors d’œuvre ei-
    nen »Appetizer«. Machte man früher den Salat mit einer Soße
    oder Vinaigrette an, so bekommt er heute ein»Dressing« ver-
    passt. Da selbst Hunde und Katzen ihr Fleisch bereits»in zar-
    ter Jelly « serviert bekommen, wird sich das französische Ge-
    lee wohl auch bei den Zweibeinern nicht mehr lange halten.
    Wann waren Sie das letzte Mal in einer Boutique? Die
    wirklich angesagten Klamotten bekommt man heute im
    »Fashion Store«, und den wiederum gibt’s in jedem Shop-
    ping-Center. Frankreich hat seinen Status als Mutterland
    der Haute Couture und der Pret-á-porter-Modeschauen ein-
    gebüßt − heute heißt das »Fashion Week«. Da führen die
    Models, die früher Mannequins genannt wurden, nicht
    mehr knackige Dessous vor, sondern »hot underwear«.
    Frauen, die sich einst in »schicken Kostümen« zeigten, ha-
    ben heute ein »stylishes Outfit«. Wer ehedem salopp oder
    leger gekleidet war, der trägt heute»casual wear«.
    Auch die Hautevolee und die Creme de la Creme mussten
    sich einer Modernisierung unterziehen und nennen sich
    jetzt »Celebrities«. Und der liebe Gott? »Mon Dieu!«, wer
    sagt das noch, heute ruft man »Oh my God!«. Es besteht
    kein Zweifel: Gott lebt heute in Amerika. Von dort schrieb
    er mir kürzlich eine Karte: »Wow, es ist einfach cool hier!
    Fühle mich great! Jeden Tag Party und Fun! Alles viel relax-
    ter als bei den Frenchies!« So ein Bullshit, hab ich gedacht
    und die Karte zerrissen.

    Kommt »ausgepowert« aus dem Französischen?
    Frage einer Leserin aus Potsdam: Ich habe mal gehört, dass
    das Wort »ausgepowert« gar nicht aus dem Englischen,
    sondern aus dem Französischen kommen soll. Ist das richtig?
    Antwort des Zwiebelfischs: Das stimmt tatsächlich! Wider
    Erwarten geht das Wort »ausgepowert« nicht auf das
    englische Wort »power« zurück, sondern auf das französi-
    sche Wort »pauvre«, welches »arm« bedeutet. Daher wurde
    es früher auch anders ausgesprochen, nämlich so, wie man es
    schreibt, mit einem »o« und einem »w«, ähnlich wie das
    deutsch-jiddische »ausbaldowern«, das »auskundschaften«
    bedeutet. Die in unseren Augen heute so englisch anmutende
    Schreibweise war in Wahrheit die Angleichung des deutschen
    Schriftbildes an den französischen Klang.
    »Auspowern« hatte die Bedeutung »jemanden um sein Hab
    und Gut bringen«, »ausbeuten«, »ausplündern«, kurzum:
    »arm machen«. Im 19. Jahrhundert wäre es wohl nie-
    mandem eingefallen, »ausgepowert« mit einem »au«-Laut zu
    sprechen. Erst in den letzten Jahrzehnten hat sich dies ge-
    ändert. Da unsere Sprache von englischen Begriffen völlig
    durchdrungen ist, nahm man an, dieses Wort müsse mit dem
    englischen »power« zusammenhängen − und sprach das
    »ow« wie »au«. Dadurch änderte sich auch die Bedeutung
    des Wortes. »Ausgepowert« heißt heute meist nicht mehr als
    »erschöpft«, »entkräftet«. Die ursprünglich viel weiter,
    nämlich an die materielle Existenz gehende Bedeutung ist
    verloren gegangen.
    Eine ähnlich interessante Geschichte hat das Wort
    »schick«. Zwar geht es in seiner heutigen Bedeutung »mo-
    disch«,»hübsch«tatsächlich auf das französische Wort»

Weitere Kostenlose Bücher