Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2
hätte heute vermutlich nur unter
dem Titel »Der Cop von St. Louis« an den Kinokassen eine
Chance.
Der Billy-Wilder-Film »The Apartment« wurde seinerzeit
noch mit »Das Appartement« übersetzt. Da wurde der
Doorman auch noch Portier genannt, und der Taxidriver
war tatsächlich noch ein Chauffeur. Früher wurde der Gut-
schein auch mal Coupon genannt, heute bekommt man einen
Voucher. Man kauft auch keine Billetts mehr, sondern
Tickets. Hotels haben ihr Vestibül zur Lobby umgebaut und
ihr Foyer zur Lounge. (Ironischerweise sprechen viele Men-
schen das Wort »Lounge« französisch aus − die Sehnsucht
nach französischem Flair scheint noch nicht gänzlich erlo-
schen.)
Das Kellergeschoss von Warenhäusern heißt nicht mehr
Souterrain, sondern Basement. Dort befindet sich häufig die
Weinabteilung, in der man hervorragenden kalifornischen
Chardonnay bekommt − und Champagner, selbstver-
ständlich. Der ist, wenn trocken, nicht mehr »sec«, sondern
»dry«.
Wer heute ein Cafe eröffnet, nennt es vorausschauend
»Coffeeshop«, denn die Amerikaner sind ja für ihren Kaffee
berühmt. Wie auch für ihr Essen (»Food«), weshalb man heu-
te nicht mehr von »Nouvelle Cuisine« spricht, sondern von
»french cooking«. Vorab gibt’s anstelle des Hors d’œuvre ei-
nen »Appetizer«. Machte man früher den Salat mit einer Soße
oder Vinaigrette an, so bekommt er heute ein»Dressing« ver-
passt. Da selbst Hunde und Katzen ihr Fleisch bereits»in zar-
ter Jelly « serviert bekommen, wird sich das französische Ge-
lee wohl auch bei den Zweibeinern nicht mehr lange halten.
Wann waren Sie das letzte Mal in einer Boutique? Die
wirklich angesagten Klamotten bekommt man heute im
»Fashion Store«, und den wiederum gibt’s in jedem Shop-
ping-Center. Frankreich hat seinen Status als Mutterland
der Haute Couture und der Pret-á-porter-Modeschauen ein-
gebüßt − heute heißt das »Fashion Week«. Da führen die
Models, die früher Mannequins genannt wurden, nicht
mehr knackige Dessous vor, sondern »hot underwear«.
Frauen, die sich einst in »schicken Kostümen« zeigten, ha-
ben heute ein »stylishes Outfit«. Wer ehedem salopp oder
leger gekleidet war, der trägt heute»casual wear«.
Auch die Hautevolee und die Creme de la Creme mussten
sich einer Modernisierung unterziehen und nennen sich
jetzt »Celebrities«. Und der liebe Gott? »Mon Dieu!«, wer
sagt das noch, heute ruft man »Oh my God!«. Es besteht
kein Zweifel: Gott lebt heute in Amerika. Von dort schrieb
er mir kürzlich eine Karte: »Wow, es ist einfach cool hier!
Fühle mich great! Jeden Tag Party und Fun! Alles viel relax-
ter als bei den Frenchies!« So ein Bullshit, hab ich gedacht
und die Karte zerrissen.
Kommt »ausgepowert« aus dem Französischen?
Frage einer Leserin aus Potsdam: Ich habe mal gehört, dass
das Wort »ausgepowert« gar nicht aus dem Englischen,
sondern aus dem Französischen kommen soll. Ist das richtig?
Antwort des Zwiebelfischs: Das stimmt tatsächlich! Wider
Erwarten geht das Wort »ausgepowert« nicht auf das
englische Wort »power« zurück, sondern auf das französi-
sche Wort »pauvre«, welches »arm« bedeutet. Daher wurde
es früher auch anders ausgesprochen, nämlich so, wie man es
schreibt, mit einem »o« und einem »w«, ähnlich wie das
deutsch-jiddische »ausbaldowern«, das »auskundschaften«
bedeutet. Die in unseren Augen heute so englisch anmutende
Schreibweise war in Wahrheit die Angleichung des deutschen
Schriftbildes an den französischen Klang.
»Auspowern« hatte die Bedeutung »jemanden um sein Hab
und Gut bringen«, »ausbeuten«, »ausplündern«, kurzum:
»arm machen«. Im 19. Jahrhundert wäre es wohl nie-
mandem eingefallen, »ausgepowert« mit einem »au«-Laut zu
sprechen. Erst in den letzten Jahrzehnten hat sich dies ge-
ändert. Da unsere Sprache von englischen Begriffen völlig
durchdrungen ist, nahm man an, dieses Wort müsse mit dem
englischen »power« zusammenhängen − und sprach das
»ow« wie »au«. Dadurch änderte sich auch die Bedeutung
des Wortes. »Ausgepowert« heißt heute meist nicht mehr als
»erschöpft«, »entkräftet«. Die ursprünglich viel weiter,
nämlich an die materielle Existenz gehende Bedeutung ist
verloren gegangen.
Eine ähnlich interessante Geschichte hat das Wort
»schick«. Zwar geht es in seiner heutigen Bedeutung »mo-
disch«,»hübsch«tatsächlich auf das französische Wort»
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