Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 1 (German Edition)
schreiben, ein anderer macht es nach, und langsam verbreitet sich der deutsche »Look«. Nach einer Weile hat man sich dran gewöhnt. Wer wollte ein Wort wie »surfen« (ich habe gesurft, ich will nächsten Sommer wieder surfen, surfst du mit mir?) heute noch anders beugen als nach deutschen Regeln?
Natürlich gibt es Ausnahmen: ein frisierter Motor ist »getuned« und nicht »getunt«, und perfektes Timing wird im Perfekt zu »getimed«, nicht »getimt«. So steht es jedenfalls im Duden. Andere englische Wörter werden dafür vom Deutschen derart absorbiert, dass sie kaum noch wiederzuerkennen sind: Das englische Wort tough ist im Deutschen zu taff geworden, und für pushen findet man auch schon die Schreibweise puschen.
Boxkämpfe werden promotet, Flüge gecancelt und Mitarbeiter gebrieft. Doch nicht jedes englische Verb, das sich in unseren Sprachraum verirrt hat, braucht ein deutsches Perfektpartizip: Die Antwort auf die Frage, ob es »downgeloadet« oder »gedownloadet« heißen muss, lautet: Weder noch, es heißt »heruntergeladen«. Es ist auch nicht nötig, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, ob es »forgewardet« oder »geforwardet« heißt, wenn man stattdessen einfach »weitergeleitet« schreibt. Fremdwörter sind willkommen, wenn sie unsere Sprache bereichern; sie sind unnötig, wenn sie gleichwertige deutsche Wörter ersetzen oder verdrängen. Statt »gevotet« kann man ebenso gut »abgestimmt« schreiben, statt »upgedated« »aktualisiert«, und wer seine Dateien »gebackupt« hat, der hat sie auf gut Deutsch »gesichert«.
Während sich der Ausdruck »gekidnappt« für entführte Personen durchgesetzt hat, auch wenn es sich dabei um Erwachsene handelt (kidnapping bedeutete ursprünglich Kinder neppen ), ist der Ausdruck »gehijackt« für entführte Flugzeuge in stilistischer Hinsicht inakzeptabel.
Wörter wie »gestylt«, »gepixelt« und »gescannt« sind hingegen akzeptabel, da sie kürzer oder prägnanter als ihre deutschen Entsprechungen sind.
Auch »chatten« und »simsen« sind bereits in die deutsche Sprache übergegangen: Chatter chatten im Chat, und wer täglich dreißig Kurzmitteilungen per SMS verschickt, der simst, was das Zeug hält. Es ist allerdings denkbar, dass diese Wörter wieder aus unserem Wortschatz verschwinden, noch ehe sie Eingang in ein deutsches Wörterbuch gefunden haben. In ein paar Jahren kann die Technik des Simsens völlig veraltet und Chatten plötzlich aus der Mode gekommen sein.
Dann wird man ein paar Ideen recyceln und etwas Neues designen. Oder ein paar Ideen wiederverwerten und etwas Neues gestalten. Warten wir’s ab.
Man trifft sich im Abendbereich
In der Welt von morgen schläft man im Schlafbereich, wäscht sich im Nassbereich, isst im Essbereich und schickt den Hund nach draußen in den Gartenbereich. Man parkt das Auto im Fahrzeugbereich, geht durch den Eingangsbereich in den Bürobereich und verabredet sich für den Abendbereich. Eine schaurige Vorstellung? Größtenteils ist sie schon heute Wirklichkeit.
Der Vorhang fällt, Pause nach dem zweiten Akt, das Publikum strömt zu den Ausgängen. »Entschuldigen Sie, wo geht es zur Toilette?«, fragt jemand den Platzanweiser. »Den Toilettenbereich finden Sie links vom Foyerbereich«, lautet die Auskunft. Der Besucher bedankt sich und hakt nach: »Und zum Foyer geht’s da lang?« – »Den Foyerbereich erreichen Sie über den zentralen Treppenaufgang gleich neben dem Garderobenbereich.«
Wer bislang glaubte, Deutschland sei in Bundesländer, Bezirke, Kreise und Gemeinden untergliedert, der durfte in den letzten Jahren eine neue Verwaltungseinheit kennen lernen: den Bereich. Denn vor allem und überhaupt ist Deutschland in Bereiche unterteilt.
Das fängt beim Arbeitsbereich an, geht über den Freizeitbereich bis in den privaten Bereich und macht selbst vor dem Intimbereich nicht Halt. Bereichseinheiten, wohin das Auge blickt. Es scheint, als habe der Drang der Ehrgeizigen nach einem Posten als Bereichsleiter seinen massiven Niederschlag in der Sprache gefunden.
Man hört es ständig und überall, das modische Anhängsel »-bereich«. Klagte man früher noch über Schmerzen in der Schulter, so jammern Patienten heute beim Arzt über Schmerzen im Schulterbereich. Masseure kneten im Nackenbereich, Männer verlieren Haare im Kopfbereich, und Sportler haben keine Knieverletzungen mehr, sondern Verletzungen im Kniebereich. Deutschland ist in ständiger Bereichschaft.
Längst haben Hotels und
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