Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 2: Folge 2 (German Edition)
Teil der Deutschen hält die eine Form für richtig, ein anderer Teil die andere. Der Rest ist restlos verunsichert und benutzt das Wort überhaubt – Pardon: überhaupt nicht mehr.
Obwohl ich selbst mit der alten Schreibweise »Alptraum« groß geworden bin und mich gut an sie gewöhnt hatte, halte ich es für vernünftig, eine Empfehlung zugunsten der neuen Schreibweise mit »b« auszusprechen. Da inzwischen aber eine ganze Reihe von Zeitungen und Verlagen zur alten Rechtschreibung zurückgekehrt ist, wird man den »Albtraum« wohl auch weiterhin als »Alptraum« lesen können.
Kasus Verschwindibus
In der Schule lernen wir, dass die deutsche Sprache vier Fälle hat. Später aber stellen wir fest, dass es noch einen fünften geben muss: den unsichtbaren Fall, auch Kasus Verschwindibus genannt. Man findet ihn zum Beispiel am Ende des Barock und beim US-Präsident.
Sommerzeit ist Sauregurkenzeit, da muss schon mal der eine oder andere Veteran hervorgezerrt werden, um die Spalten einer Zeitung zu füllen. Und so darf man sich endlich auf Neues über Niki Lauda freuen, denn SPIEGEL ONLINE verspricht ein Interview »mit dem Formel-1-Veteran«.
Mit dem Formel-1-Veteran? Fehlt da nicht etwas? Ich zeige den Satz einem Kollegen, der nimmt einen Stift und quetscht ein »Ex-« vor »Formel-1-Veteran«. Völliger Quatsch natürlich: einmal Veteran, immer Veteran. Was tatsächlich fehlt, ist die Endung: mit dem Veteran en . Denn der Veteran ist nicht nur alt, sondern auch gebeugt – jedenfalls im Dativ. Und die Präposition »mit« erfordert nun mal den Dativ. Sie »regiert« den Dativ, wie der Grammatikaner sagt.
Das traurige Schicksal des Veteranen stellt beileibe keinen Einzelfall dar. Mit folgender Überschrift wurde die Hinrichtung eines amerikanischen Soldaten im Irak gemeldet: »Terroristen exekutieren US-Soldat«. Bedauerlich war nicht nur der Inhalt der Meldung, sondern auch der Umgang mit der Grammatik. »Es muss ›US-Soldaten‹ heißen«, wende ich ein, »denn der Soldat wird in Dativ und Akkusativ zum Soldaten.« – »Aber dann denken die Leser, dass mehrere Soldaten erschossen wurden«, verteidigt sich der Textchef, »das wäre doch missverständlich. So ist es klarer!« So ist es auf jeden Fall falscher. Man muss sich schon entscheiden, ob man das Risiko eingeht, der Leser könne zwei Sekunden lang an einen Plural glauben, oder ob man ihn lieber glauben lassen will, man habe Probleme mit der deutschen Sprache.
Dasselbe Problem steckt auch in der folgenden Aussage: »Die Mehrheit der Wahlmänner und -frauen hat sich auf Horst Köhler als Bundespräsident festgelegt«. Im Nominativ ist Horst Köhler als Bundespräsident korrekt, doch im Akkusativ kann und darf man ihn nur als Bundespräsident en bezeichnen. Und wenn Gerhard Schröder nach Washington fliegt, dann trifft er den US-Präsidenten, nicht den US-Präsident. Jedem »Agent« läuft es dabei eiskalt den Rücken hinunter.
Nicht viel besser ist es um den berühmten Schönheitschirurgen bestellt, dessen Endsilbe wohl einem Lifting zum Opfer gefallen sein muss, wenn der Fernsehsprecher ihn als »berühmten Schönheitschirurg« vorstellt. Ganz zu schweigen vom Kandidaten der Quizsendung, der permanent zum »Kandidat« verkürzt wird: »Dann bitte ich jetzt unseren nächsten Kandidat zu mir!« Und gleich danach dieser Spruch in der Werbung: »Jetzt gibt es den neuen Swiffers-Staubmagnet!« Da fragt man sich unwillkürlich: Wie soll an dem Ding der Staub haften bleiben, wenn ihm doch schon in der Werbung die Endsilbe abfällt?
Die Neigung, bei schwach gebeugten männlichen Hauptwörtern die Endungen im Dativ und im Akkusativ einfach unter den Tisch fallen zu lassen, ist sehr stark ausgeprägt. Sätze wie »Dem Patient geht’s gut« oder »Lukas, lass den Elefant in Ruhe« sind mittlerweile häufiger zu hören als die korrekt formulierten Aussagen »Dem Patienten geht’s gut« und »Lukas, lass den Elefanten in Ruhe«. Die Unterlassung der Deklination ist umgangssprachlich weit verbreitet, standardsprachlich jedoch gilt sie als falsch.
Wenn die Bank auf einem Schild darauf hinweist, dass wegen einer Computerumstellung heute leider »keine Kontoauszüge am Automat« erhältlich seien, brennt es einem in den Augen. Wenn der Komiker im Fernsehen freimütig berichtet, wie er sich letztens wieder »zum Idiot gemacht« habe, kribbelt es einem in den Ohren. Wenn eine Illustrierte »neue Enthüllungen über den norwegischen Prinz« verspricht, bekommt man
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