Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 2: Folge 2 (German Edition)
Wer also sparen will, hat hier die Gelegenheit, ein paar überflüssige Silben zu sparen.
»Der Gewerkschaftssprecher drohte an, wenn die Regierung zu keinem Entgegenkommen bereit sei, eine Urabstimmung durchführen zu wollen.« Da kaum damit zu rechnen ist, dass sich die Regierung mit einer Willensandrohung beeindrucken lässt, wäre es sinnvoller, wenn der Gewerkschaftssprecher drohte, »eine Urabstimmung durchzuführen«.
Wollen, dürfen, können, brauchen – all dies sind Modalverben, die im Nebensatz nicht benötigt werden, wenn der Hauptsatz bereits auf ein Wollen, ein Dürfen, ein Können oder ein Brauchen hinweist.
»Bush sprach Kerry die Fähigkeit ab, die USA regieren zu können«, liest der Sprecher der »Tagesschau« vor. Da haben wir dasselbe Problem: Die Aussage ist redundant. Es hätte genügt zu sagen: »Bush sprach Kerry die Fähigkeit ab, die USA zu regieren.« Denn vorne »fähig«, hinten »können« ist des Guten zu viel. Auch »imstande« oder »in der Lage sein«, etwas tun »zu können«, schießt sprachlich über das Ziel hinaus.
Genauso vergaloppiert hat sich die Filmagentur, die in ihrer Werbebroschüre schreibt: »In diesem spannenden Action-Movie gerät Black in einen Strudel von Ereignissen, der ihn zwingt, sich selbst und sein Leben völlig neu definieren zu müssen.«
Und nicht besser der Buchrezensent, der seine Inhaltsangabe mit den Worten schließt: »Am Ende wird ihm erlaubt, endlich zu seiner Familie zurückkehren zu dürfen.«
Es kann nie schaden, beim Beenden eines Satzes noch mal auf den Anfang zu schielen und sich zu vergewissern, dass man nicht gerade dabei ist, die Aussage zu einer leeren Blase zu verquirlen.
Am Montag, dem oder den?
Frage eines Lesers: Lieber Zwiebelfisch, wie heißt es richtig: Montag, den 1.3.2004 oder Montag, dem 1.3.2004?
Antwort des Zwiebelfischs: Leider gibt es in dieser Frage keine eindeutige Festlegung. Ich empfehle stets, die Datumsangabe in den gleichen Kasus zu setzen wie den Wochentag, denn das ist auf jeden Fall korrekt und außerdem gut zu merken. Wenn der Wochentag im Dativ steht (und das ist immer der Fall, wenn »am« davor steht), dann setze man auch die Monatsangabe in den Dativ (»dem«). Steht der Wochentag im Akkusativ oder Nominativ, setze man auch die Datumsangabe in den Akkusativ (»den«) oder Nominativ (»der«). Zur Verdeutlichung ein paar Beispiele:
Wir treffen uns Montag, den 1.3.2004.
Wir treffen uns am Montag, dem 1.3.2004.
Das hat Zeit bis nächsten Freitag, den 12. März.
Das hat Zeit bis zum nächsten Freitag, dem 12. März.
Es war Donnerstag, der 30. Mai, als der Apotheker Ringelhuth mit seinem Neffen Konrad in die Südsee reiste.
Es war am Donnerstag, dem 30. Mai, als der Apotheker Ringelhuth mit seinem Neffen Konrad in die Südsee reiste.
Und für alle, die Hochzeitseinladungen verschicken:
Die Trauung findet statt: Samstag, den 17. Juli 2004, um 14 Uhr in der St.-Joseph-Kapelle
oder:
Die Trauung findet am Samstag, dem 17. Juli 2004, um 14 Uhr in der St.-Joseph-Kapelle statt.
Der traurige Konjunktiv
Am Sonntag gehen Vater und Sohn regelmäßig in den Sprachzoo. Dort schauen sie sich vom Aussterben bedrohte grammatische Phänomene an. Am liebsten mögen sie den Konjunktiv. Gerne hülfen sie ihm, denn sie haben Angst, er stürbe aus.
Vergnügt schlendern Vater und Sohn durch den Sprachzoo. Ehrfürchtig verharren sie vor dem Käfig mit der Aufschrift »Genitiv – Bitte nicht erschrecken!«, spazieren weiter zum »Ph«-Gehege, wo sie so selten gewordene Wörter wie »Photographie« und »Telephon« bewundern, lassen sich vom Wärter erklären, dass es mit der Fortpflanzung der beiden letzten Eszetts auch in diesem Jahr wieder nicht klappen werde, und kommen schließlich vor dem Käfig mit dem Konjunktiv an. »Der sieht immer so traurig drein«, sagt der Sohn voller Mitgefühl, »der kann einem richtig Leid tun!« – »Er würde sich bestimmt wohler fühlen, wenn es jemanden geben würde, der sich mit ihm unterhalten würde«, sagt der Vater. Daraufhin stößt der Konjunktiv einen herzerweichenden Klagelaut aus. Der Sohn nickt und sagt: »Vielleicht fühlte er sich tatsächlich wohler, wenn es jemanden gäbe, der sich mit ihm unterhielte.« Da hebt der traurige Konjunktiv den Kopf, schaut den Jungen an und lächelt dankbar.
»Eine hübsche Geschichte«, sagt mein Freund Henry, »aber mich stört das Happy End. Das ist mal wieder typisch für deine Gefühlsduselei, geht aber an den Realitäten völlig
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