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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 2: Folge 2 (German Edition)

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 2: Folge 2 (German Edition)

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 2: Folge 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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… der ist türkischstämmig.
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… sind unionsnahe Prominente.
Ein von einer Videokamera überwachter Parkplatz …
… ist ein videoüberwachter Parkplatz.
Wer der Weihnacht müde ist, …
… ist ein weihnachtsmüder Mensch.

Grammatischer Radbruch
    Frage eines Lesers: Beim Lesen einer renommierten Berliner Tageszeitung stolperte ich in einem Bericht über Paul McCartney über folgende Formulierung: »McCartney hat diesen Blick des ewig unbedarften Jungen auch mit 60 noch gut konserviert, dem man nur schlecht böse sein kann. Auch dann nicht, als er ein paar Kinderverse auf Deutsch radebrach.« Dass McCartney Probleme mit der deutschen Sprache hat, ist verzeihlich und nicht weiter überraschend. Aber es stellt sich doch die Frage, wer »radebrach« hier mehr?
    Antwort des Zwiebelfischs: Ihre Zweifel sind durchaus berechtigt, das Verb »radebrechen« wird tatsächlich regelmäßig gebeugt:
    er radebrecht (nicht: radebricht)
    er radebrechte (nicht: radebrach)
    er hat geradebrecht (nicht: hat radegebrochen)
    Das Wort geht ins Mittelalter zurück, als Übeltäter für ihre Vergehen noch aufs Rad gebunden wurden (daher auch: gerädert), wo man ihnen dann alle Knochen brach. In späteren Jahrhunderten erlangte es die Bedeutung »quälen«, und seit dem 17. Jahrhundert bezeichnet »radebrechen« das Schinden einer Sprache.
    Obwohl mit dem unregelmäßig gebeugten Verb »brechen« verwandt, hat »radebrechen« als feste Fügung einen anderen Konjugationsweg eingeschlagen. Die zitierte Zeitung hat also beim Beugen eine grammatische Reifenpanne gehabt, treffender gesagt: einen Radbruch.

Hier werden Sie geholfen!
    »Das kostet Ihnen keinen Cent!«, verspricht ein Anbieter im Internet. Offenbar kostet uns seine Werbung dafür den Akkusativ. Doch nicht nur die Reklamesprache gibt uns immer wieder neue Rätsel auf. Auch manchem Politiker sind schon die Fälle davongeschwommen. Dem muss man dann erst mal wieder richtiges Deutsch lernen.
    Jeder kennt die Werbung für die Telefonauskunft, bei der Verona Feldbusch ihr Image als grammatikschwaches Dummchen geschickt vermarktet, wenn sie die berühmten Worte spricht: »Da werden Sie geholfen.« Die meisten wissen natürlich, dass dies falsches Deutsch ist und dass es richtig heißen muss: »Da wird Ihnen geholfen.« Den meisten ist bekannt, dass das Verb »helfen« aktivisch und mit dem Dativ gebildet wird, nicht passivisch wie in »Hier werden Sie beraten« oder »Da werden Sie verschaukelt«.
    Den meisten, wohlgemerkt. Die meisten sind aber nicht alle. So wurde mir von einem Fall berichtet, bei dem eine Kundin in einem Schuhgeschäft die höfliche Frage einer Verkäuferin, ob sie eine Beratung wünsche, mit den Worten erwiderte: »Nein danke, ich werde schon geholfen!« Die Verkäuferin sah die Kundin ungläubig an und wartete auf ein Zwinkern, ein Lächeln, auf irgendein Zeichen, mit dem die Kundin zu erkennen gab, dass sie sich einen sprachlichen Scherz erlaubt habe. Aber da kam nichts. Offenbar war die Kundin fest davon überzeugt, die richtigen Worte gewählt zu haben. Und dabei sah sie Verona Feldbusch nicht einmal ähnlich.
    Schlimmer noch als die Verwechslung von Aktiv und Passiv ist die Verwechslung von Akkusativ und Dativ. Ein Freund von mir sagt hartnäckig, er sei »im Gespräch verwickelt gewesen«, was für mich so klingt, als hätte während des Gesprächs plötzlich jemand ein Netz über ihn geworfen. Unlängst schrieb mir eine besorgte Leserin, sie habe das Gefühl, dass immer mehr Menschen nach Präpositionen, die den Dativ erfordern, den Akkusativ benutzten. Als sie kürzlich in einem Geschäft mit ihrer Kreditkarte bezahlen wollte und diese sich nicht durch das Kartenlesegerät ziehen ließ, habe ihr die Kassiererin gesagt: »Das liegt an den Apparat.« Die Leserin fragte sich indes, woran es liege, dass die Kassiererin hier den Akkusativ wählte. An falschen Vorbildern in der Werbung?
    Man darf den Einfluss der Werbung nicht überschätzen. Wenn die deutsche Sprache im Fall eines dritten oder vierten Falles gelegentlich ins Schwanken gerät, so liegt dies vor allem an der Tatsache, dass wir Deutschen ein Volk von Dialektsprechern sind. Und jede Mundart hat ihre eigenen Regeln, gerade was den Gebrauch der Fälle angeht. Der Berliner zum Beispiel kann mit dem Akkusativ nicht viel anfangen. So lautet die schönste Erklärung, die ein Mensch einem anderen machen kann, auf Berlinerisch: »Ick liebe

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