Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 3
machen wollte, der ging zur örtlichen Zeitungsredaktion und gab eine Annonce auf. Diese Annonce wurde in der Regel redaktionell bearbeitet, das heißt in Aufbau, Länge und Ausdruck dem üblichen Anzeigenstil angepasst und nach den gültigen Regeln der Orthografie gesetzt.
Diese Möglichkeit besteht zwar noch immer, doch sie wird immer weniger genutzt und gilt vielen als antiquiert. Wer heute seinen Sperrmüll zu Geld machen will, der gibt eine Anzeige im Internet auf – vorzugsweise auf den Seiten der Auktionsplattform Ebay. Dort sitzt kein nettes Fräulein mehr, dem er seine Anzeige diktieren kann; dort muss er alles selbst machen: vom Hochladen der Fotos bis zur Produktbeschreibung. Folglich ist Ebay eine Fundgrube – nicht nur in sammelsurischer Hinsicht, sondern auch in orthografischer. Denn jeder schreibt eben so, wie er es für richtig hält. Und das hat bekanntermaßen nicht immer viel mit dem zu tun, was im Duden steht. Als Suchender muss man das berücksichtigen. Wer zum Beispiel Modelleisenbahnen sammelt und eine spezielle Dampflokomotive sucht, tut gut daran, nicht nur mit dem Stichwort »Dampflok« zu suchen, sondern es auch noch mit »Dampflock« zu probieren.
Einige Matratzen findet man schneller mit dem Suchwort »Matraze«, und wer Zubehör für seinen Computer sucht, der kann auch unter »Zubehöhr« fündig werden.
War einst die Kunst des Schildermalens den Handwerkern vom Fach vorbehalten, so kann heute dank moderner Fotokopier- und Drucktechniken jeder Ladenbesitzer seineAngebotsschilder selbst herstellen – kostengünstig und in hauseigener Rechtschreibung. Früher wurden Handzettel, Visitenkarten und Speisekarten noch von Schriftsetzern gesetzt, die meistens über solide Kenntnisse der Rechtschreibung verfügten. Heute machen so etwas Computergrafiker, die sich für die Orthografie nicht zuständig fühlen: Wozu gibt es schließlich Korrekturprogramme?
Inzwischen ist auch der Beruf des Literaturkritikers bedroht. Denn die meisten Buchrezensionen, die heute gelesen werden, stammen gar nicht mehr von ausgewiesenen Literaturkennern, sondern von Laien. Internethändler wie Amazon bieten ihren Kunden ein Forum, in welchem jeder öffentlich seine Bewertung abgeben und ellenlange Kommentare schreiben kann. Meist geschieht dies ohne Punkt und Komma und nur selten unter Berücksichtigung der Regeln für Groß- und Kleinschreibung. Ein wenig seltsam ist es schon, wenn sich Laien mit mangelnden Kenntnissen der deutschen Schriftsprache über deutschsprachige Literatur auslassen.
All das ist jedoch kein Grund zu verzagen, beweist es doch nur, wie lebendig das Interesse der Deutschen am Gebrauch ihrer Schrift ist und wie niedrig die Schwellenangst vor dem Schreiben. Das soll nicht heißen, dass manches nicht verbessert werden könnte. Gerade das Vokabular der meisten sogenannten Simser (SMS-Verschicker) und der Chatter ist noch ausbaufähig. Das Gebot der Kürze macht zwar viele Kompromisse erforderlich (und führt bisweilen sogar zu originellen Kreationen), aber ein vollständiger Verzicht auf Grammatik wird weder dem Handy-Besitzer noch dem PC-Benutzer abverlangt. Viele scheitern bereits an der Unterscheidung zwischen »ein«, »eine« und »einen«. Der männliche und sächliche Artikel »ein« wird in der verkürzten Form der Umgangssprache zu »n«, die weibliche Form»eine« wird zu »ne«. Die Form »nen« hingegen steht für »einen«.
Die verkürzte Auskunft »Muss Post, nen Paket holen« hieße ausgeschrieben »Ich muss noch zur Post, um einen Paket abzuholen« – was freilich grammatischer Unfug ist. Auch Nachrichtentexte wie »Hast nen Auto?« oder »Brauchste nen Rezept?« sind grammatisch unausgereift. Übrigens wäre gerade hier ein Apostroph ausnahmsweise einmal richtig: ’n oder ’nen. Aber beim Chatten geht es ja vor allem um Schnelligkeit, so wie es beim Simsen um das Einsparen von Zeichen geht.
Doch nicht alles lässt sich mit Sprachökonomie entschuldigen. Wenn er sich fragt, warum sie »kein Bock auf nen Date mit nen coolen Typ« hat, könnte es schlicht und einfach daran liegen, dass sie keinen Bock auf ’n Date mit ’nem Schwachmaten hat.
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Was ist Zeit?
Nichts ist so rätselhaft wie die Zeit. Darum passt sie so gut zu unserer Sprache, denn auch die steckt voller Rätsel: Wie nah ist zeitnah? Wer putzt die Zeitfenster? Wie lang dauert ein Sekündchen? Ein paar Fragen über zeitlose Probleme mit kleinen Wörtern der Zeit.
Was ist Zeit? Was ist
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