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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 3

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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Grammatik drei. Es gibt den Mann, die Frau – und das Mädchen! Eine Formulierung wie »Im anderen Abteil saß ein rothaariges Mädchen mit einer knallbunten Reise-tasche. Ich grüßte kurz und setzte mich neben sie« ist grammatisch nur dann einwandfrei, wenn der Erzähler sich auch wirklich neben die knallbunte Reisetasche gesetzt hat. Das Mädchen ist nun einmal sächlich. Daran ändert sich auch nichts, wenn es in die Pubertät kommt. Auf der Internet-seite www.kinder.de erfährt man im Kapitel über die Pubertät: »Jedes Mädchen hat ihren eigenen Rhythmus.« Dem kann man nur entgegenhalten: Jedes Geschlecht hat seinen eigenen Artikel!
     
    Nicht nur ein plötzlicher Wechsel des Geschlechts ist heikel. Zu erheblichen Verständnisproblemen kann es auch bei schwankendem Numerus kommen, beim Durcheinander von Einzahl und Mehrzahl, so wie in diesem Bericht über Osteoporose:
    »Jeder vierte Patient ist ein Mann. Sport und Medikamente schützen ihre Knochen.« Ein solcher Satz gibt Rätsel auf. Hieße es »seine Knochen«, dann wäre klar, wer gemeint ist: der Mann nämlich – oder aber der Patient, beides ergibt einen Sinn. Das Pronomen »ihre« deutet indes auf eine Mehrzahl hin, die man beim Patienten und beim Mann aber vergeblich sucht. Auch wenn die Zahl »vier« darin vorkommt, so ist »jeder vierte Patient« ein Singular. Die ein- zige Mehrzahl bilden »Sport und Medikamente«, qua Numerus können also nur sie es sein, die hier ihre Knochen schützen. Apropos Sport: In Fußballreportagen erleidet der grammatische Bezug regelmäßig Schiffbruch, wenn eben noch von der Mannschaft im Singular die Rede war und esim nächsten Satz dann im Plural weitergeht: »Die Mannschaft war wirklich in Bestform heute, und man muss sagen, sie haben verdient gewonnen.« Dieses »sie« können auch die anderen gewesen sein. Die sprachliche Verwirrung ist komplett, wenn der Mannschaft dann auch noch das Geschlecht verrutscht: »Eine Mannschaft, die seinesgleichen sucht.«
     
    Während der Fußball-WM wurde der schwedische Trainer ja überraschend als »der Mann mit den zwei Gesichtern« geoutet, und zwar von seiner eigenen Mannschaft. Auf »Spiegel Online« war zu lesen: »Lagerbäcks Mannschaft hatte in einem emotionalen Spiel seine zwei Gesichter gezeigt, übermotiviert und mit vielen Abwehrfehlern in der ersten Halbzeit.«
     
    Jedes Ding hat seinen Preis
    Da gibt es nichts zu diskutieren.
    Nur die Qualität – wie man jetzt weiß –
    Die hat nicht seinen, sondern ihren.

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    Kein Bock auf nen Date?
    Stimmt es, dass unsere Schriftsprache unaufhaltsam vor die Hunde geht? Tatsache ist: Nie wurden so viele Fehler gemacht wie heute. Aber die Menschen haben auch noch nie so viel geschrieben. In Wahrheit ist unsere Schreibkultur höchst lebendig – dank E-Mail, Chat und SMS.
    Einige Menschen neigen dazu, die modernen Kommunikationstechniken zu verteufeln, weil diese den Niedergang unserer Sprachkultur begünstigen würden. Es lässt sich nicht leugnen, dass es in E-Mails und auf vielen Internetseiten von Rechtschreibfehlern und Interpunktionsmängeln nur so wimmelt. Und was gerade junge Menschen in die Tastatur ihrer Handys hacken, zeugt nicht selten von gravierenden Missverständnissen der deutschen Orthografieregeln.
     
    Man kann diese Entwicklung aber auch anders bewerten: Internet, E-Mail und SMS ist es zu verdanken, dass sich heute mehr Menschen in schriftlicher Form äußern als jemals zuvor. Waren wir einst ein Volk weniger Dichter und Denker, die einer überwältigenden Mehrheit von des Lesens und Schreibens unkundigen Menschen gegenüberstanden, so sind wir heute ein Volk weniger Dichter und Denker, die sich gegen eine schreibwütige Mehrheit behaupten müssen. Unsere Schriftsprache steht folglich nicht vor dem Niedergang – sie war noch nie so populär wie heute! Und es ist wie immer, wenn viele Köche gleichzeitig mitmischen: Jeder hat eine andere Vorstellung von der richtigen Rezeptur.
     
    Vor der Einführung der SMS-Technik stand den meisten für kurzfristige Absprachen nur das Telefon zur Verfügung –und der Vorteil des Telefonierens besteht ja darin, dass eventuelle orthografische Schwächen unerkannt bleiben. Menschen, die mit der Rechtschreibung Probleme haben, hat es immer schon gegeben. Sie fielen früher bloß nicht so auf, da ihnen die Technik fehlte, um ihre Probleme regelmäßig unter Beweis stellen zu können. Wer eine Wohnung suchte, etwas zu verkaufen hatte oder eine neue Bekanntschaft

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