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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 3

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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erzielen. Inzwischen ist sie 94 und bettlägerig. In der Gebrauchsanleitung für ihr Heimpflegebett Marke »Theutonia II« habe ich den Satz gelesen: »Mit vier Lenkrollen ausgestattet, lässt sich das Bett auch mit darin liegendem Patienten im Zimmer verfahren.« Darüber habe ich mich sehr gewundert. Man kann sich in Paris verfahren oder im Ruhrpott, aber in einem Zimmer? Die Wörter »rollen« oder »hin- und herschieben« waren dem Verfasser offenbar zu profan. So ersann er das »Verfahren«.
     
    In der Amtssprache ist es ein geläufiges Verfahren, alltägliche Verben mit Vorsilben zu versehen. Dadurch soll der Ton offizieller klingen, wenn nicht gar wichtiger. Tatsächlich klingt er dadurch eher seltsam, wenn nicht gar gruselig.
    In Polizeiberichten wimmelt es von vorsilbigen Schauergeschöpfen. Wenn vom Transport von Verletzten die Rede ist, so heißt es grundsätzlich: »Die verletzten Personen wurden ins Krankenhaus verbracht.« Wir verwenden das Verb »verbringen« eher in aktivischen Zusammenhängen wie »Meinen letzten Urlaub habe ich in Frankreich verbracht« oder »Meine Nachbarin verbringt täglich viele Stunden vor dem Fernseher«. In diesen Sätzen wird immer nur eines verbracht, nämlich Zeit, aber keine Person. Personen werden »gebracht«. Wenn sie »verbracht« werden, dann bedeutet das etwas ganz anderes, nämlich »deportieren«. Und das wiederum steht für »jemanden gegen seinen Willen an einen anderen Ort bringen, gewaltsam fortschaffen«. Dass die Polizei einen Verletzten nicht ins Krankenhaus bringen lässt, sondern ihn dorthin »verbringen« lässt, wirft ein ungünstiges Licht auf die Transportmethoden.
     
    Vorsilben dienen dazu, ein Wort genauer zu bestimmen oder ihm eine andere Bedeutung zuzuschreiben. Man denke nur an das Verb »schreiben«: Da gibt es einschreiben und ausschreiben, vorschreiben und nachschreiben, aufschreiben und zuschreiben, anschreiben und abschreiben. Und natürlich verschreiben, und das gleich in mehreren Bedeutungen: Man kann ein Medikament verschreiben, Tinte verschreiben, sich beim Schreiben verschreiben – und Polizeibeamte können offenbar auch Berichte ver-schreiben, jedenfalls hört sich ihr Stil danach an.
     
    Wenn kein Bedeutungsunterschied vorliegt, ist die Vorsilbe überflüssig. So wie bei dem Wort »abbergen«, Fach-jargon für »Rettung aus Seenot«. Schiffbrüchigen dürfte es jedenfalls egal sein, ob sie geborgen oder abgeborgen werden – solange sie nur gerettet werden. Was bringt es an zusätzlichem Nutzen, wenn der Fliesenleger Fugen »verfüllt«,statt sie einfach zu füllen? Was haben wir davon zu halten, wenn ein Gerät als »sportlich beim Anstarten und im Betrieb« beschrieben wird? Denn was der Unterschied zwischen starten und anstarten sein soll, bleibt unklar. Das- selbe gilt für warnen und vorwarnen. Das nachträgliche Warnen ist jedenfalls genauso sinnlos wie das nachträgliche Programmieren, daher kann man auf ein »vor« vor diesen Wörtern getrost verzichten.
    Politiker reden gern davon, dass sie eine Idee oder eine Entwicklung »befördern« wollen. Man wäre ja schon froh, wenn sie ihren Sprachstil förderten.
    Was bringt es, wenn wir Dinge ab ändern wollen, statt sie einfach nur zu ändern? Ist es günstiger, eine Wohnung an zumieten, statt sie zu mieten? Steigen Löhne schneller, indem man sie an steigen lässt? Warum werden Tische in Restaurants nicht mehr wie früher gedeckt, sondern ein- gedeckt?
     
    Ein leises Stöhnen von Henry reißt mich aus meinen Gedanken. »Soll ich die Stewardess bitten, dir einen Kräutertrank zu bringen?«, frage ich mitleidig. Henry verzieht das Gesicht: »Damit sie mir einen Jägermeister an serviert? Nein danke, mehr Blähungen verkrafte ich heute nicht!«
     
    Vorsilben im Test: Flüssig oder überflüssig?
Abändern
ändern
abklären
klären
abmildern
mildern
abmindern
mindern
absenken
senken
absinken
sinken
abzielen
zielen
anmieten
mieten
anbetreffen
betreffen
ansteigen
steigen
anwachsen
wachsen
auffüllen
füllen
aufoktroyieren
oktroyieren
aufzeigen
zeigen
ausborgen
borgen
ausleihen
leihen
befüllen
füllen
mithelfen
helfen
verfüllen
füllen
vorankündigen
ankündigen
vorprogrammieren
programmieren
vorwarnen
warnen
zuliefern
liefern
zuschicken
schicken

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