Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 3
So will man es als Kunde doch schließlich haben.« – »Für dich mag die Frisur eine Nebensache sein«, sage ich, »für andere ist es eine Haupt-Sache. Die gehen dann zu ›Hauptsache Haar‹. Oder zu ›Barbara’s Barber Shop‹. Daneben gibt es natürlich noch die haarigen Klassiker: ›Rapunzel‹, ›Struwwelpeter‹ und ›Samson‹.« Henry zuckt zusammen: »Samson aus der Sesamstraße?« – »Natürlich nicht, sondern Samson aus der Bibel. Der mit den Superkräften.« – »Ach so, der von ›Samson und Dalida‹!« – »Fast. Delilah hieß sie, und sie schnitt ihm die Haare ab, woraufhin er seine Superkräfte verlor.«
»Aber wo wir schon bei der Bibel sind«, fahre ich nach einer kurzen Pause fort, »da fällt mir noch ein anderer haarträchtiger Name ein. Kennst du die Geschichte von David und Absalom?« – »Ich kenne nur David und Goliath«, sagt Henry. »Absalom war Davids Sohn«, erkläre ich, »er versuchte, seinen Vater zu stürzen. In der Entscheidungsschlacht verfingen sich seine Haare in einem Baum, und Absalomwurde getötet.« – »Seine Haare wurden ihm also zum Ver-häng-nis ...« – »Genau. Ist doch eine tolle Geschichte! Wäre ich ein Friseur, würde ich meinen Laden AbSalon nennen! Das wäre gleich ein doppeltes Wortspiel!«
»Hübsche Idee, aber vermutlich zu intellektuell!«, sagt Henry. »Der Kunde braucht einfache Begriffe; solche, die ihm schon aus weiter Entfernung zurufen: Schau hair, ich bin ein Friseur, und ich bin witzig!« –»Du meinst so etwas wie ›Schnittstelle‹?«, frage ich. Henry nickt. »Oder wie ›Hair-kules – Ihr starker Friseur‹?« Henry kichert. »Oder wie ›Kaiserschnitt‹?« Henry stöhnt laut auf. »Henry, beHAIRsche dich«, ermahne ich meinen Freund, »du verlierst ja völlig die Fasson!« Gerade als wir aufbrechen wollen, beugt sich der Gast vom Nebentisch zu uns herüber und sagt: »Entschuldigt, wenn ich mich einmische, aber wenn ihr einen wirklich guten Friseur sucht, dann kann ich euch diesen hier empfehlen!« Lächelnd reicht er uns eine Geschäftskarte. Henry schaut drauf und bricht in schallendes Gelächter aus. »Was ist denn so komisch?«, frage ich. »Ein prima Tipp! Mit dem können wir nichts falsch machen«, gluckst Henry, »der macht zumindest keine falschen Versprechungen!« Er reicht mir die Karte, und ich lese:
Der Friseur Ihres Vertrauens
Wächst ja wieder
Ruhrstraße 41
22761 Hamburg
Tel.: (040) 28058567
11 Vokuhila: Kurzwort für »Vorne kurz, hinten lang«, spöttische Bezeichnung für Langhaarfrisuren in den 70er Jahren.
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Verwirrender Vonitiv
Grammatik ist nicht jedermanns Sache, das Deklinieren schon gar nicht. Darum wird ein Fall immer beliebter: der Vonitiv. Der Name sagt Ihnen nichts? Sie kennen ihn bestimmt! Der Vonitiv ist der Tod von dem Genitiv.
Solche Schlagzeilen können einem den ganzen Tag verderben: »Mutter von vier Kindern erschlagen«. Das ist doch wirklich nicht zu fassen: Die Jugend wird wirklich immer brutaler! Vier Kinder rotten sich zusammen und erschla-gen eine Mutter. Was um alles in der Welt hat sie nur dazu getrieben? Wessen Mutter war diese Mutter überhaupt? Und was geschieht mit den vier Mörder-Kids? Fragen über Fragen.
Fragen, die man sich nicht zu stellen brauchte, wenn die Schlagzeile anders lautete, zum Beispiel: »Mutter vierer Kinder erschlagen«. Das setzte beim Verfasser der Zeile allerdings Kenntnisse über den Gebrauch des Genitivs voraus.
Schon folgt der nächste Schock: »Außenminister von Japan ausgeladen«. Wie denn, wo denn, was denn, welcher Außenminister? Doch nicht etwa unser Bundesaußenminister? Die japanische Regierung hat unseren Außenminister ausgeladen? Was haben wir denn falsch gemacht? Waren wir nicht nett genug zu den Japanern? Liegt es daran, dass wir uns immer noch weigern, Walfleisch zu essen? Erst beim Lesen der Unterzeile erfährt man, dass es der japanische Außenminister ist, der ausgeladen worden ist, und zwar von der chinesischen Regierung. Darauf hätte man natürlich auch gleich kommen können, wenn dort gestanden hätte: »Japans Außenminister ausgeladen« oder »Japanischer Außenminister ausgeladen«.
Grundsätzlich ist gegen die Umschreibung des Genitivs mithilfe des Wörtchens »von« nichts einzuwenden. Unsere praktisch veranlagten Nachbarn, die Niederländer, haben den Genitiv schon vor Jahrhunderten abgeschafft, was dazu führte, dass »van« zum berühmtesten Wort der niederländischen Sprache geworden
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