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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 3

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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nicht viel darüber sagen, wie die Berliner und Pots-damer ihre Straßen behandeln. Ich selbst stamme aus Lübeck, und auch dort gibt es eine Breite Straße, die im Dativ ganz mustergültig zur Breiten Straße wird.
     
    Die Hohe Straße in Köln hingegen widersetzt sich der Grammatik und bleibt unveränderlich. So sagt der Kölner ganz selbstverständlich: »Ich steh hier auf der Hohe Straße.« Und er sagt auch: »Ich geh auf den Alter Markt.« (Er spricht es allerdings etwas anders aus, es klingt eher wie»Ich jehe op d’r Alder Maat«, und außerdem wird es mehr gesungen als gesprochen.) Wer in Köln von der »Hohen Straße« spricht und auf den »Alten Markt« geht, der kennt sich zwar mit der hochdeutschen Grammatik aus, ist aber offensichtlich kein Kölner.
     
    Auch in anderen Städten gibt es Lange Straßen und Alte Märkte, die nicht gebeugt werden. Besonders viele davon findet man in Nordrhein-Westfalen. In Dortmund zum Beispiel. Dort nahm die Polizei im August einen Fahrraddieb fest, »der den Beamten zuvor auf der Lange Straße als Fußgänger aufgefallen« war. In Düsseldorf kam es im Juni 2006 zu einem spektakulären Unfall: »Am Mittag stürzte ein Gerüst bei Abbrucharbeiten an einem Haus an der Breite Straße teilweise ein«, teilte die Düsseldorfer Feuerwehr mit. Und in Castrop-Rauxel feiert man alle Jahre wieder das »Sommerfest auf der Lange Straße«.
    Das Straßenverzeichnis der deutschen Sprache steht sowohl voller gebeugter Breiter Straßen als auch voller ungebeugter Breite Straßen. Was es allerdings nicht gibt, ist eine Regel, die einem sagt, wann die Unterlassung der Beugung erlaubt ist und wann nicht.
     
    In Hamburg gibt es eine Straße namens Lange Reihe, und wer dort bummeln geht oder ins Café, der tut dies in oder an der Langen Reihe. Dasselbe gilt für den Neuen Wall. Im Unterschied zum Kölner beugt der Hamburger seine Straßennamen, und darin ist er konsequent. So wird selbst der Stadtteil Rotherbaum im Dativ zum Rothenbaum: Beugung trotz Zusammenschreibung und historischem »th«, das ist wahrhaft hanseatisch! Wer also vom »Tennis am Rotherbaum« spricht, der mag zwar Ortsschilder lesen können, ist aber offensichtlich kein Hamburger. Für den alteingeses- senen Hamburger ist der Stadtteil Uhlenhorst trotz seinermännlichen Konnotation (der Eulenhorst) weiblich; wer dort wohnt, der wohnt »auf der Uhlenhorst«.
    Ob man auf den Alten Markt geht oder auf den Alter Markt, das ist nicht eine Frage von richtig oder falsch, sondern von Geschichte und Tradition. In einigen Gegenden ist der Name irgendwann erstarrt und wurde fürderhin nicht mehr gebeugt, in anderen blieb er lebendig und wird auch heute noch wie ein normales Hauptwort behandelt. Im Zweifelsfall gilt das, was die Eingeborenen sagen. Wenn die Berliner von »Bauarbeiten auf der Breite Straße« statt »auf der Breiten Straße« sprechen, dann will ich das gerne akzeptieren. Schließlich ist es ihre Breite Straße, so wie es auch »dem Kölner singe Alder Maat« ist.
    15 Lamäng, nach frz. la main (= die Hand); »aus der Lamäng«: scherzhaft für »aus dem Stegreif«, »etw. aus dem Ärmel schütteln«.

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    Über das Intrigieren fremder Wörter
    »Konkurenz ist für uns ein Fremdwort«, steht im Schaufenster eines Berliner Textilgeschäfts zu lesen, und man glaubt es dem Besitzer sofort, wenn man berücksichtigt, wie er das Wort »Konkurrenz« geschrieben hat. Weniger glaubhaft ist die Anzeige eines Regalherstellers, in der behauptet wird: »Ästhetik trifft Inteligenz«.
    Fremdwörter stellen uns immer wieder vor besondere Herausforderungen. Man kann sie verkehrt buchstabieren, ih-re Bedeutung missinterpretieren, sie falsch aussprechen (viele Menschen brechen sich regelmäßig bei dem Wort »Authentizität« die Zunge, sodass oft nur »Authenzität« herauskommt) – und vor allem kann man sie leicht verwechseln. Während der Fußball-WM hörte und las man häufig das Wort »Stadium«, wenn »Stadion« gemeint war. Einmal stolperte ich auch über das Wort »Erfolgscouch«. Das war allerdings nicht in einem Ikea-Katalog, sondern in einem Bericht über den erfolgreichen Coach der Schweizer Nationalmannschaft.
     
    Meine Freundin Sibylle ist im Verwechseln von Fremd-wörtern eine wahre Virtuosin. Sie würde vermutlich sagen: eine Virtologin. Wo ich »euphemistisch« sage, sagt sie »euphorisch«. Wo ich konzentrische Kreise sehe, sieht sie »konzentrierte Kreise«. Und wenn ich Sibylle von einem makellosen

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