Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 3
»Astralkörper« schwärmen höre, weiß ich, dass ich an einen Alabasterkörper denken muss. Immer wieder bringen sie die verflixten Fremdwörter »in die Patrouille«. Von ihrem Onkel, der wie ein Eremit in seinem Häuschen in der Toscana lebt, behauptet sie hartnäckig, er lebe wie ein »Emerit«. Und über sich selbst sagt sie, dass sie hin und wieder etwas »implosiv« reagiere. Schon als Kind sei sie»ziemlich resistent« gewesen. Ich weiß nicht, wie Sibylle als Kind war, aber ich vermute, sie meint »renitent«. Da fällt mir Jörg Pilawa ein, der in einer NDR-Talkshow die Sängerin Gitte Haenning fragte: »War das nicht eine Zensur in deinem Leben?«
Auch meine Nachbarin Frau Jackmann streut gern mal das eine oder andere exotische Wort in ihre Rede ein. So erfuhr ich kürzlich von ihr, dass es in Gelsenkirchen ja nicht nur ein berühmtes Fußballstadion, sondern auch ein »Amphibientheater« gebe. Nach dem Einzug eines neuen Mieters war sie stundenlang damit beschäftigt, die Fußabdrücke im Treppenhaus zu beseitigen, die er mit seiner »Dispositionsfarbe« gemacht habe. Das war die reinste »Syphilisarbeit«! Und überall flogen diese lästigen »Stereopur-Flocken« herum! Ihrem geplagten Rücken zuliebe geht sie einmal pro Woche zum Masseur, der sie mit »esoterischen Ölen« einreibt. Außerdem nimmt sie jetzt regelmäßig Kalziumtabletten ein, das sei gut gegen »Osterpörose«.
Verwechselte Fremdwörter findet man ständig und überall. Ein Klassiker sind die »karikativen Zwecke«, die den karitativen Spendenaufruf zur sprachlichen Karikatur werden lassen. Einen besonders gemeinen Stolperstein stellt auch das Wort »integrieren« dar. Auf der Homepage der Fernsehsendung »Big Brother« las man über die unglückliche Teilnehmerin Manuela: »Sie hofft, dass sich das Verhältnis in Zukunft bessern wird und sie sich mehr und mehr ins Team intrigieren kann.« Wenn hier nicht »integrieren« gemeint war, dann hätte der Satz anders aufgebaut werden müssen: »... und sie mehr und mehr im Team intrigieren kann.« Von Sparta auf die Sporaden verirrt hatte sich jener Autoredakteur, der über die Ausstattung des neuen Dodge Viper schrieb, sie sei »alles andere als sporadisch«. Solange nur derRedakteur vom Kurs abkommt und nicht das Auto, mag’s ja noch gehen.
In Bayern hingegen scheinen die Dinge völlig aus dem Ruder zu laufen, da werden öffentlich Götzen angebetet. Als in der Gemeinde Gilching im November 2005 ein sogenannter Friedenspfahl aufgestellt wurde, meldete die Lokalausgabe der »Süddeutschen Zeitung«: »2,20 Meter hoher Basilisk in Gilching eingeweiht«. Ein Basilisk ist (wie jeder »Harry Potter«-Leser weiß) ein mythisches Schlangenwesen. Vielleicht hatte die Redakteurin am Vorabend einfach zu viel Basilikum gegessen, und womöglich hatte sie noch nie einen »Asterix«-Comic gelesen – jedenfalls kam sie nicht auf das Wort Obelix – pardon: Obelisk.
Gelegentlich bildet die Volksetymologie aus deutschen Bausteinen fremd anmutende Wörter. Einmal brannte in Hamburg-Tonndorf ein Imbiss ab. Schuld war der Wrasenabzug. Das Wort »Wrasen« ist norddeutsch und bedeutet Dunst. Die Tonndorfer Feuerwehr hat ein griechisches Wort daraus gemacht, denn in ihrem Bericht konnte man lesen: »Das Feuer war über den Phrasenabzug des Hähnchengrills in den Zwischendeckenraum gelaufen und hat dort durchgezündet.« Von einer solchen Vorrichtung können Sprachpfleger nur träumen! In meinem nächsten Leben werde ich Imbissbudenbesitzer!
Der Umgang mit Fremdwörtern verpflichtet uns freilich nicht zu größerer Sorgfalt als der Umgang mit dem Vokabular unserer Muttersprache. Fehler mit Fremdwörtern sind nicht schlimmer als Fehler mit deutschen Wörtern. Sie sind nur oft komischer.
Wenn zum Beispiel eine Agentur für Medien und Marketing in einem Pressetext behauptet, 42 Prozent der Deutschen fürchteten eine Rezension. So viele Schriftsteller – und nur ein Marcel Reich-Ranicki? Wie soll der das bloß schaffen? Oder wenn man über einen verfolgten Künstler lesen muss, dass er »in erster Distanz freigesprochen« worden war. Der Volksmund sagt aus gutem Grund: Fremdwörter sind Glückssache.
Als vor ein paar Jahren der Rinderwahn umging, erzählte ich Sibylle, dass man im Bioladen bei mir um die Ecke »Götterspeise ohne Gelantine« bekommen könne. Da brach sie in schallendes Gelächter aus und verbesserte mich: »Das heißt Gelatine!« – »Tatsächlich? Dann habe ich dem
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