Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 3
(Passiv/Perfekt)
Die festen Formen der zweiten Bedeutung finden allerdings zunehmend Anwendung auf die erste Bedeutung. Der Duden erklärt es für zulässig, dass man auch bei der Überführung im Sinne eines Transportes die Formen »überführte« (statt »führte über«) und »überführt« (statt »übergeführt«) verwendet.
Ein Leichnam kann demnach also sowohl übergeführt als auch überführt werden. Die Betonung liegt in jedem Fall auf einem »ü«.
[v] verschieden/unterschiedlich
Die Wörter »unterschiedlich« und »verschieden« werden oft synonym, also gleichbedeutend verwendet. »Verschieden« kann nämlich sowohl »mehrere, manche, diverse« als auch »von anderer Art« bedeuten. Zwischen den beiden Aussagen »Henry und ich waren verschiedener Meinung« und »Henry und ich waren unterschiedlicher Meinung« besteht kein Bedeutungsunterschied. In jedem Falle waren Henry und ich nicht derselben Meinung.
Gelegentlich aber kann die Verwendung von »verschieden« zu Missverständnissen führen. Die Aussage »Sie hatten verschiedene Interessen« kann in zwei Richtungen gedeutet werden, nämlich sowohl als »Sie hatten diverse Interessen (z. B. reiten, malen, kochen)« wie auch als »Sie hatten nicht dieselben Interessen«. Um in solchen Fällen klarzumachen, dass »verschieden« nach der ersten Lesart aufgefasst werden soll, bedient man sich gerne der Steigerung: »Sie hatten die verschiedensten Interessen.«
Ein weiteres Beispiel für den Unterschied zwischen »verschieden« und »unterschiedlich«: Wenn die Polizei nach einem Einbruch am Tatort verschiedene Fingerabdrücke findet, kann sie nicht sofort daraus schließen, ob ein oder mehrere Täter am Werk gewesen sind. Erst wenn sich herausstellt, dass es sich um unterschiedliche Fingerabdrücke handelt, ist klar, dass mindestens zwei Täter ihre Finger im Spiel hatten. Ein einzelner Mensch kann durchaus verschiedene (das heißt: diverse, mehrere) Fingerabdrücke hinterlassen, aber nicht unterschiedliche.
Diesem ungleichen Wortpaar wohnt eine ähnliche Problematik inne wie bei dasselbe/das Gleiche und bei gleich/ identisch.
Das Wort »verschiedentlich« bedeutet »mehrmals«, »öfters« und ist somit nicht dasselbe wie »verschieden«. Es handelt sich um ein Adverb, das nicht gebeugt oder attributiv gebraucht werden kann:
»Sie haben verschiedene (nicht: verschiedentliche) Modelle geprüft.«
»Er war bereits verschiedene (nicht: verschiedentliche) Male gewarnt worden.« Stattdessen aber auch: »Er war bereits verschiedentlich gewarnt worden.«
[v] verstorben/gestorben
In tiefer Trauer gibt Familie Heckeldorn das Dahinscheiden ihrer geliebten Yorkshire-Terrier-Hündin Tiffany bekannt, die am Sonntag nach dem Genuss eines 16 Zentimeter langen Marzipanbrotes »verstorben« sei.
Jetzt ist Tiffany im Hundehimmel, und das Leben geht weiter. Der Familie Heckeldorn bleiben viele schöne Erinnerungen an ihre herzallerliebste Tiffany, und allen anderen bleiben zwei Fragen. Erstens: Wie viel Marzipanbrot sollte man einem Schoßhündchen maximal verabreichen? Zweitens: Gibt es einen Unterschied zwischen »gestorben« und »verstorben«?
Zumindest die zweite Frage verdient an dieser Stelle eine Erörterung. Natürlich gibt es einen Unterschied, genau genommen sogar zwei: einen grammatischen und einen stilistischen. »Gestorben« ist das Perfektpartizip von »sterben«, »verstorben« ist das Perfektpartizip von »versterben«. Während die Präsensformen des Verbs »versterben« heute kaum noch gebraucht werden, sind die Vergangenheitsformen recht häufig.
Er verstarb im Alter von 83 Jahren.
Plötzlich und unerwartet ist unsere liebe Omi am vergangenen Donnerstag verstorben.
Die Wörter »verstarb« und »verstorben« gelten als gehoben. Für die meisten Menschen ist der Tod ein unangenehmes Thema; wer mit jemandem über den Tod eines Angehörigen sprechen muss, wählt seine Worte mit Bedacht und zieht stilistisch lieber ein höheres Register, um nicht als respekt- oder gefühllos missverstanden zu werden. »Verstorben« mag betulicher klingen als »gestorben«, von vielen wird es aber auch als würdevoller verstanden.
Es ist legitim, »verstorben« zu benutzen, wenn man die Gefühle anderer (oder seine eigenen) schonen will. Dies gilt vor allem für Traueranzeigen, Grabreden, Kondolenzschreiben und Nachrufe.
In Aufsätzen oder Berichten über Personen, deren Tod bereits einige Zeit zurückliegt, ist es jedoch nicht nötig,
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