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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 3

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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Weite. Zweitens hat das Wort »Platzangst« einen dramatischeren Klang, der eher an das Verb »platzen« als an einen Platz denken lässt.
    [p] postum/posthum
    Dies dürfte manchen Wortklauber überraschen: postum und posthum bedeuten tatsächlich dasselbe! Und zwar »nach jemandes Tod erfolgt« (zum Beispiel eine Auszeichnung) oder »nach jemandes Tod erschienen, nachgelassen«. Dass nur »posthum« dies bedeutete, während »postum« mit »nachträglich« gleichzusetzen sei, ist ein Missverständnis.
    Die Form ohne »h« ist die ältere. Sie wurde im 18. Jahrhundert aus dem lateinischen Wort »postumus« abgeleitet, welches »zuletzt geboren, nach dem Tod des Vaters geboren« bedeutet. Im Erbrecht gibt es den Begriff des Postumus, das ist der Spät- oder Nachgeborene.
    Die Form mit »h« ist eine Nebenform, die sich volksetymologisch an das lateinische Wort »humus« (= Erde) und das davon abgeleitete »humare« (= beerdigen; daher: exhumieren = wiederausgraben) anlehnt. Weil man durch Verknüpfung mit »Humus« den Friedhofsgeruch förmlich riechen und sich somit die Bedeutung des Wortes postum besser merken konnte, schrieb man es vorzugsweise mit »h«. Diese volkstümliche Variante hat sich durchgesetzt und die lateinische Form stark zurückgedrängt.
    Wer heute »postum« statt »posthum« schreibt, der begeht aber keinen Fehler. Denn der Friedhofshumus ist dem Wort erst nachträglich beigemischt worden, die »reine« Formkommt ohne »h« aus und wird auch ganz normal auf der ersten Silbe betont: Postum – wie Punktum.
    [r] raus, rein, runter, rüber, rauf und ran
    Die Präpositionen raus, rein, runter, rüber, rauf und ran werden nicht apostrophiert: »Komm sofort da runter!«, nicht: »Komm sofort da ’runter!«
    Zwar steht das »r« für die Vorsilbe »her«, doch ist diese Verkürzung auf einen Buchstaben bereits so alt, dass der Apostroph schon lange nicht mehr gesetzt wird.
    Bei Zusammensetzungen mit Verben erfolgt ausnahmslos Zusammenschreibung: raussehen, reinsetzen, rüberkommen, runterklettern, raufschauen, rangehen.
    [r] Referenz/Reverenz
    Der Teufel steckt bekanntermaßen im Detail. In diesem Falle ist es ein kleiner unscheinbarer Lippenlaut, der eine große Wirkung hat.
    Spricht man ihn weich wie ein »w«, dann ist’s die Reverenz, und die bedeutet »Ehrerbietung« und »Verbeugung«. Der Königin erweist man eine Reverenz, indem man sich vor ihr verneigt oder einen Hofknicks macht.
    Spricht man den Lippenlaut hart, dann wird die Verneigung zur Empfehlung: Referenz bezeichnet eine Art Zeugnis, das man als Empfehlung vorweisen kann. Früher konnte auch die Auskunft gebende Person selbst damit gemeint sein. Meistens wird die Referenz in der Mehrzahl gebraucht: »Hat der Bewerber irgendwelche Referenzen vorzuweisen?«
    Wer keine Referenzen vorzuweisen hat, muss dem Personalchef eine sehr kniefällige Reverenz erweisen, wenn er den Job bekommen will.
    Die Reverenz gelangte im 15. Jahrhundert in unsere Sprache, eine Übernahme aus dem Lateinischen: »reverentia«heißt »Scheu«, »Ehrfurcht«. Auch zu finden im englischen »reverend«, mit dem Geistliche angesprochen werden (»Hochwürden«). Die Referenz kam erst später ins Deutsche, im 19. Jahrhundert, und zwar aus dem Französischen. »Référer« heißt »berichten«, »Bericht erstatten«, und damit wiederum ist auch das bei Schülern und Studenten so beliebte (oder gefürchtete) Referat verwandt.
    [s] schmelzen/schmilzen
    Viele Menschen verwenden das kuriose Verb »schmilzen« und seufzen entzückt: »Ich schmilze dahin.«
    Tatsächlich aber gibt es nur das Wort »schmelzen«, und in der ersten Person Singular muss es heißen: »Ich schmelze dahin.«
    In der zweiten und dritten Person Singular findet allerdings tatsächlich eine Klangveränderung statt: Du schmilzt, das Eis schmilzt. »Schmelzen« gehört nämlich zu den unregelmäßigen Verben, die ihren Stammlaut in der zweiten und dritten Person Singular sowie im Präteritum und im Perfektpartizip verändern.
    Darüber hinaus kann »schmelzen« sowohl transitiv (ich schmelze die Butter) als auch intransitiv (ich schmelze selbst) sein.
    In früheren Zeiten wurde das transitive Verb regelmäßig gebeugt, da hieß es dann zum Beispiel »die Sonne schmelzte das Eis« oder »der Goldschmied hat das Gold geschmelzt«. Diese Formen haben sich allerdings nicht durchgesetzt. Erstaunlicherweise, muss man sagen, denn eigentlich befinden sich die regelmäßigen Formen seit Jahrhunderten auf dem

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