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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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wurden die Wendungen »auf Reisen sein«, »auf Tournee sein« und »auf Achse sein« gebildet. Und wer, so wie einst die Handwerksgesellen, auf Wanderschaft ist, der ist gleichzeitig auch auf Suche: nach einem Bett, einer warmen Mahlzeit, nach neuer Arbeit. Somit lassen sich auch alle Formen der Suche mit »auf« und »sein« verbinden: auf Schatzsuche sein, auf Abenteuersuche sein, auf Partnersuche sein.
    Da der Drogenrausch gern mit einer Reise gleichgesetzt wird (weshalb man ihn auch Trip nennt), bürgerten sich die Formulierungen »auf Gras«, »auf LSD« und »auf Ecstasy« ein. Ich bin mir nicht sicher, ob die Spedition »Tirolia« sich dessen bewusst war, als sie auf Plakaten und in Anzeigen mit der Feststellung warb: »Hier sind alle auf Speed!« Gemeint war wohl »auf Draht« oder »auf Zack«. Speed ist aber nicht nur das englische Wort für »Geschwindigkeit«, sondern auch der Name einer synthetischen Droge.
    Dem Trip folgt häufig der Entzug, und da auch das als eine Reise verbucht werden kann, ist hier gleichfalls die Konstruktion mit »auf« und »sein« möglich: Wer zu oft auf Alkohol war, ist irgendwann auf Entzug.
    Zum Glück kann es mir einerlei sein, ob die Chefs dieses Landes »auf Termin« sind oder »auf Urlaub«. Mich interessiert auch nicht, ob ihre Vorzimmerdamen »auf Zack« oder »auf Trab« sind. Solange sie nicht »auf Trapp« sind, wie man auch immer wieder mal lesen kann. Hauptsache ist doch, dass niemand »auf 80« ist, denn das wäre nicht gut für sie oder ihn und schadete nur unserem Gesundheitssystem, das ohnehin ständig auf Reform ist.
    Wenn ich etwas nachdenke, fallen mir bestimmt noch weitere umgangssprachliche Ausdrücke mit »auf« und »sein« ein. Dazu ziehe ich mich für einen Moment zurück. Wenn Sie mich also kurz entschuldigen wollen: Ich bin mal eben auf Klo!

Auf Tabelle sein
auf Achse sein
auf Arbeit sein / besser: auf der Arbeit sein, arbeiten
auf Arbeitssuche sein
auf Besuch sein / besser: zu Besuch sein
auf Bewährung sein / besser: zur Bewährung freigelassen sein
auf Diät sein
auf Draht sein
auf Drogen sein
auf Entzug sein (infolge des vorangegangenen Beispiels)
auf Fortbildung sein / besser: zur Fortbildung sein, sich fortbilden
auf Helium sein / anders ausgedrückt: wie die Chipmunks sprechen
auf 80 sein / heute auch: auf 180 sein / besser: wieder zur Ruhe kommen
auf Kur sein / besser: zur Kur sein
auf Kurs sein
auf Lehrgang sein / besser: zu einem Lehrgang sein, einen Lehrgang machen
auf Linie sein
auf Montage sein
auf Partnersuche sein
auf Reise(n) sein
auf Safari sein
auf Schicht sein
auf See sein
auf Sendung sein
auf Termin sein / besser: einen Termin haben, im Gespräch sein
auf Tour(nee) sein
auf Trab sein
auf Urlaub sein / besser: im Urlaub sein, in den Urlaub fahren, Urlaub machen
auf Wanderschaft sein / früher auch: auf (der) Walze/Walz sein
auf Zack sein

Einsatz für Agent 00
    Wie drückt man sich am besten aus, wenn man ein dringendes Bedürfnis hat? Mancher formuliert es mit Hilfe von Kaiser und Papst, andere munkeln etwas von einem kurzen Verschwinden oder von kleinen Tigern. Noch immer gibt es keinen allgemein akzeptierten Ausdruck für die alltäglichste Sache der Welt.
    Oft sind es ganz banale Dinge, die uns sprachlich die größten Schwierigkeiten bereiten. In der Schule und im Studium lernen wir viele nützliche Fremdwörter, pauken Vokabeln und Grammatik, aber niemand lehrt uns, wie man sprachlich elegant und stilistisch sicher zur Toilette gelangt.
    Die knappe Feststellung »Ich muss mal« gilt in unserem Kulturkreis zwar als unmissverständlich, ist aber nicht universell einsetzbar. Würde man so etwas in einer Konferenz, einem Kundengespräch oder während eines Geschäftsessens sagen? Lieber wählt man eine Umschreibung. Mancher erklärt sich zum Getriebenen und sagt: »Entschuldigen Sie mich bitte kurz, der Kaffee treibt.« Andere bevorzugen Tee.
    Auch beim Arzt sucht man oft verkrampft nach dem passenden Wort. Begriffe wie »Harnlassen« oder »Urinieren« sind zu klinisch, als dass sie jedem locker über die Lippen gingen. In familiärer Atmosphäre ist es leichter, da stehen uns zahlreiche Ausdrücke zur Verfügung. An der Ankündigung »Ich muss mal pinkeln« würden im Freundes- oder Familienkreis wohl nur die wenigsten Anstoß nehmen.
    Als ich mich kürzlich mit einigen Freunden über dieses Thema unterhielt, meinte Philipp, »pinkeln« sei inzwischen Standardsprache. »Vielleicht in Bremen, wo Braunkohl mit Pinkel als

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